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Die Schrift in Flammen

Titel: Die Schrift in Flammen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Miklós Bánffy
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schwieg er. Wahrhaftig unverständlich, warum Fanny diesen langweiligen Jüngling zu ihren Diners einlud, wo doch die anderen in der Runde alle hervorragend, geistreich und amüsant waren.
    Diese Gastmähler verliefen höchst vollkommen. Die ganze Wohnung machte ebenso einen sehr individuellen Eindruck: rauchgraue Seide im Salon, eingerichtet mit modernen, bequemen Diwanen und Lehnstühlen, auf denen hier und dort ein zuckerrosarotes Kissen lag. Verschiedenste Möbel, doch jedes Stück von erlesenem Geschmack. Ein überaus wohnlicher Salon. Die Wand entlang der langen Galerie war holzgetäfelt und auch grau gestrichen über einem langen, mit giftgrünem Brokat bezogenen Diwan, auf den man eine Vielzahl zitronengelber und schwarzer Kissen gelegt hatte; hier konnte man in bequemer Haltung dem Gesang der Hausherrin lauschen – denn der Raum diente auch als Musiksaal – oder sich an ihrer Schönheit erfreuen. Wie Flammen, so leuchteten die rötlich blonden Haare der Frau vor dem graublauen Hintergrund.
    Am vollkommensten, auch psychologisch vorzüglich gestaltet, war aber das Esszimmer. Sehr dunkler Lambris reichte zu der ebenso verkleideten Decke hinauf. Hell hob sich nur der Tisch ab, da darüber in der ganzen Länge elektrische Lampen hingen, starke, oben gedeckte und seitlich ganz abgeschlossene Lichtquellen, die ihre Strahlen einzig auf den Tisch warfen, während das Zimmer in pechschwarzer Nacht verblieb. Zwei große, vielarmige Kandelaber standen auf dem Tischtuch; ihre Kerzen löschten jeden Schatten auf dem Gesicht der Gäste, dem Blumenkorb und den anderen silbernen Gegenständen. Alles glänzte blendend: die Kristallgläser, das mit Gold verzierte, schneeweiße Porzellan, die Salzfässer, die Fruchtschalen, das Essbesteck. Ein wahres Unikum, diese Tafelgarnitur: französische Handwerksarbeit, sie stammte aus jener Periode des 18. Jahrhunderts, die auf schalenförmige Verschnörkelungen am tollsten versessen war. Juste-Aurèle Meisonnier hatte das berühmte Tafelgeschirr verfertigt und jedes Stück signiert. Die einzelnen Gabeln und Löffel wogen so schwer wie kleinere Keulen, alle verschiedenartig, jedes Stück ein Meisterwerk. Fanny hatte ihren Mann in Paris dazu gebracht, Geschirr und Besteck für eine horrende Summe zu kaufen, zu einer Zeit, da er in sie noch sehr verliebt war. Angeblich hatte die Tafelgarnitur einst Madame Pompadour gehört. Doch waren es nicht die Schönheit der Gegenstände, nicht das Porzellan, die Gläser oder die Blumen, welche die seltene Perfektion des Mahls vollends sicherten, und noch nicht einmal die auserlesenen Gerichte und Weine, sondern der Gegensatz zwischen dem leicht kühlen, stockdunklen Zimmer und dem prachtvollen Glanz des Tisches.
    László verspürte dies gleich, als er sich neben die Altjungfer-Cousine setzte. Große Menschenkenntnis und Genusssucht triumphierten hier. Schwarze Dämmerung lag hinter ihm, ihn fröstelte es gar ein wenig, als er Platz nahm. Das stumm bedienende Personal blieb beinahe unsichtbar, nur eine Schüssel tauchte hie und da auf, bot sich an und verschwand dann irgendwo im Hintergrund. Alles aber, was schön und gut war, lag vor ihm: jeder Genuss, der sich dem Auge, dem Mund und allen Sinnen darbot, wundervolle Blumen, Unmengen funkelnder Gläser, in ihren Spiegelungen wie Eis glänzende Bögen der metallenen Schätze, ein Tischleinen, dessen glatte und schneeweiße Fläche blendete, darüber matt, vergehend errötende Rosen, die mit kahlen Stielen, entblößt in den Silberschein tauchten, und gegenüber eine andere zartrosa, kleidlose Erscheinung: die nackten Arme der schönen Fanny und ihr Hals und ihre Brüste, von denen – so schien es – ihr Kleid sich jeden Augenblick lösen konnte. »Hinter uns«, dachte László, »liegt das Leben, das öde, kalte, grausame Leben, bedrohlich und böse, und vor uns alles, was Wonne ist, Gerichte, die man mit Kenntnis genießen muss, viele berauschende Getränke, Schönheit, Farben, Licht, Duft, Rosensträucher und ein rosiger Frauenleib, alles, was uns die Unbarmherzigkeit des Lebens, ja selbst den Tod vergessen lässt, der, versteckt im Dunkel des leicht kühlen Zimmers, vielleicht schon heimlich hinter uns herschleicht.«
    Tatsächlich aß und trank man bei diesem meisterhaft gegebenen Gastmahl mehr als gewöhnlich, und jeder unterhielt sich vergnügter und lebhafter, als wollten sie alle vergessen, was sie in der Finsternis belauerte.

    Nach dem Mahl zerstreuten sie sich in der Galerie. Schwarzer

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