Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Die Schrift in Flammen

Titel: Die Schrift in Flammen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Miklós Bánffy
Vom Netzwerk:
keineswegs! Bloß ich …«, antwortete Frédi und rutschte schleunigst in seine Bank hinein; er beugte sich dabei etwas vor, und seine Pepitajacke ergoss sich gleichsam über das rotbezogene Pult, das die Sitzreihen voneinander trennte.

    Im Casino wie in den folgenden Versammlungen variierte später jedermann immer den gleichen Gedankengang, den Zsigmond Boros so korrekt zusammengefasst hatte. Über etwas anderes sprach man kaum. Die Ereignisse im Ausland, die Russische Revolution, die immer heikleren Verwicklungen der Kreta-Frage, Kaiser Wilhelms Ausflug nach Marokko und selbst das deutsche Flottenprogramm, das damals das Licht der Welt erblickte, all das interessierte niemanden. Ebenso wenig näher liegende Zeichen, etwa die in Salzburg gehaltene Rede eines österreichischen Abgeordneten, der die in Ungarn wohnhaften Germanen apostrophierte, oder ein soeben in Wien anonym erschienenes, sachkundiges Büchlein, dessen Verfasser unter Anführung genauer Zahlen die mangelhafte Kriegsbereitschaft der Monarchie mit der Riesenkraft der anderen Länder verglich. Man handelte Apponyis wunderbare Ansprache ab so wie die Chancen des von Dezső Bánffy ins Spiel gebrachten Gedankens, statt der ungarischen Kommandosprache eher Regimenter mit ungarischem Kommando zu fordern.

IV.
    Hundertprozentig beschäftigte die Politik in der hohen Gesellschaft von Pest nur wenige Leute. Es gab wichtigere Dinge oder zumindest ebenso wichtige.
    Dazu gehörten im Frühling die Pferderennen, die als ebenso interessant und aufregend galten wie die Jagdpartien im Herbst. Hatte man, wenn das Oberhaus, eine Parteikonferenz oder der Casinovorstand zu einer Sitzung einberufen werden sollten, im Sommer auf die Rebhuhnjagd Rücksicht zu nehmen, im September auf die Zeit des Hirschgeröhrs und zu Beginn des Winters auf die Fasanenjagden, so musste man im Frühling die Renntage kennen, um die geplante Versammlung dazwischen zu legen. Und ähnlich verhielt es sich, wenn nach den Pferderennen in Pest die Wiener Derby-Saison begann; viele ließen es sich um keinen Preis nehmen, auch dort hinzufahren, sodass diese Periode für größere Unternehmungen als eine tote Zeit galt.
    In Budapest herrschte jetzt indessen, Anfang Mai, regsamstes Leben, dessen Höhepunkt mit dem »Königspreis« erreicht werden sollte. Zu diesem Anlass pflegten auch einige österreichische Stallbesitzer sowie etliche Angehörige der Wiener Jeunesse dorée die Reise hierher zu machen. Unter Letzteren war auch Montorio. Gleichentags gab es natürlich eine Tanz-Soiree im Park-Klub, denn dort fanden im Frühjahr außer den Hausbällen alle Vergnügungen statt.
    Montorio traf die Kollonichs auf dem Rennplatz. Er forderte Klára zum Kotillon auf. Als er sie um den Tanz bat, gab es in seiner Stimme irgendeinen entschlossenen Klang, den das Mädchen gleich heraushörte. Der Principe hatte beim Aufbruch nach Budapest in der Tat beschlossen, in ihrer Angelegenheit eine Entscheidung herbeizuführen. Am Ende musste man ja Klarheit bekommen. Er wollte heiraten. Seine Mutter trat für das Kollonich-Mädchen ein. Klára gefiel auch ihm, sie schien ganz passend, er würde mit ihr auch eine hübsche Mitgift bekommen. All dies sprach für das Vorhaben, doch die Sache zog sich schon zu lange hin, und – wer weiß – wenn das Mädchen nicht einwilligen sollte, so würde er sich anderweitig umschauen, schließlich gab es genug gute Partien in der Welt. Er wollte also gleich am ersten Abend klären: Was soll geschehen? Auch an Zuversicht fehlte es ihm nicht, da doch die Briefe der Fürstin Ágnes, die ihm seine Mutter vorgelegt hatte, den Eindruck erweckten, dass er nur zu kommen und aufzutreten brauche, um den sicheren Sieg zu erringen. Ein so attraktiver, guter und überaus gewinnender Mann, wie er war.
    Auch Gyerőffy war beim Wettrennen dabei. Als Klára in Gesellschaft von Magda Szent-Györgyi und anderer Mädchen zum Paddock hinunterspazierte, wo glänzend gestriegelte Vollblutpferde im Schritt in der Runde gingen und darauf warteten, gesattelt zu werden, schloss sich László ihr an. Nahe nebeneinander lehnten sie sich an das weiße Geländer.
    Klára tat so, als studierte sie das Programm, doch László wusste: Sie wollte etwas mitteilen, darum las sie so eifrig die Pferdenamen, sie wartete einzig darauf, dass ihre Freundinnen sie einmal unbeachtet ließen. Und tatsächlich! Als neben ihr eine Diskussion über die Identität eines der Pferde einsetzte, sprach sie leise und schnell: »Ich esse

Weitere Kostenlose Bücher