Die Schrift in Flammen
selber nicht imstande war, an Klára heranzukommen – »ach, schrecklich!« –, sodass nun auch ihre letzte Hoffnung zunichte wurde. Ihr Herz krampfte sich schwer zusammen, die Selbstbeherrschung, die sie bisher bewahrt hatte, löste sich auf, und sie begann zu schluchzen.
»Darum also habe ich Ihnen einen Brief geschrieben, damit …« Jetzt bemerkte er, dass das Mädchen leise weinte. Verwundert sah er Ilus Varga an: »Ja, aber was ist denn Schlimmes passiert? Sagen Sie es mir! Warum weinen Sie?«
»Mich … mich … hat man von dort hinausgeworfen«, sagte Ilus und schniefte.
»Sie? Wann? Wie? Warum?«
»Jetzt vor einer Stunde. Wie einen Hund … hinaus auf die Straße haben sie mich geworfen … darum bin ich gekommen.«
»Aber was ist denn geschehen und warum?«
Das Mädchen trocknete sich die Augen mit ihrem rauhen, kleinen Taschentuch und errötete tief. Sie zögerte kurz … dann sprach sie es aus: »Ich … ich bekomme ein Kind …«
»Sie? … Um Gottes willen!«, staunte László.
»Ja … und darum … darum, weil ich es nicht habe abtreiben wollen, wie Herr Szabó es hat wollen, und dann, damit man nicht darüber sprechen kann … damit die Herrschaft es nicht erfährt … darum … Oh, sicher, dass er mich hat rauswerfen lassen, oh, ganz sicher!«
Und nun begann sie, ihre traurige Geschichte verworren, aber doch verständlich zu erzählen. Wie sehr er ihr nachgestellt, sie verfolgt habe, dass sie ihm nicht zu Willen gewesen sei, nein, nein, sie sei ein anständiges Mädchen, sie habe auch einen Verlobten, er sei beim Militär, nein, aber sie habe sich nicht wehren können. Oh, Herr Szabó sei ein mächtiger Mann, er habe sie bedroht und auch gezwungen. Sehr stark sei er, sie aber sei nur ein junges Mädchen, und zu Hause habe sie viele Geschwister, man hätte sie sonst schimpflich heimgeschickt, denn niemand könne dort bleiben, der sich Herrn Szabó nicht füge, und wenn man sie fortgejagt hätte, das wäre für sie im Dorf eine Erniedrigung gewesen und schlimm auch wegen ihrer Mutter, denn es seien viele Geschwister da …
László hörte dem Bericht der kleinen Zofe wortlos zu. Er spürte, dass sie mit jedem ihrer Worte die Wahrheit sprach, zumal er sich erinnerte, dass er damals, im November bei der Jagd in Simonvásár, Szabó gesehen, beobachtet hatte, wie der Butler ihr auflauerte, ja er war Augenzeuge gewesen, als das Mädchen sich auf der dunklen Bedienstetenstiege wehrte, und er entsann sich des nächtlichen Gedränges und Lärms über seinem Zimmer.
Jetzt, da sie in sich zusammengesunken vor ihm saß, sah man ihr die Schwangerschaft an. Tiefes Mitleid überkam ihn. Er streichelte ihre Hand.
»Was kann ich für Sie tun?«, fragte er.
»Ich habe mir gedacht, dass vielleicht Fürstin Klára … wenn sie etwas für mich täte … wenn sie … Ich weiß ja, dass ich es nicht verdiene, aber wenn sie aus Erbarmen etwas …«
»Klára? Und haben Sie sich nicht an sie gewandt? Wenn Sie ihr diese Schurkerei erzählt hätten, das, was dieser Mann Ihnen angetan hat … oh, natürlich nicht so, wie Sie es mir berichtet haben, aber doch irgendwie … ja, freilich, auch das fällt schwer …«
»Ich habe es versucht, aber sie ließ mir ausrichten, dass sie mich nicht sehen will. Sie empfange mich nicht, das hat sie gesagt. Auch sie hält mich bloß für so eine dreckige Person.«
Ilus verstummte. Der junge Mann erhob sich; er durchmaß das Zimmer einmal hin und zurück, dann stellte er sich ans Fenster und blickte hinaus ins Freie. Die Wellen des Laubwerks im Museumsgarten wogten draußen in frischem, fröhlichem, jungem Grün. Frühling. Blatt an Blatt, die zuoberst wie Spitzen gezackten Linien leuchteten in der Nachmittagssonne noch stärker als die buttergelbe Fassade des Gebäudes. Jenseits, über der weichen Daunendecke, welche die Bäume bildeten, sah man das Palais Kollonich. Auch es lag im Licht, erglänzte, vom Sonnenschein selbst am Schieferdach vergoldet. Nur wir beiden, dieses arme Mädchen und ich, wir allein sind im Schatten, dachte László.
»Sagen sie bitte«, fragte er nach einer Weile, »haben Sie die Visitenkarte erhalten, die ich Ihnen heute früh geschickt habe?«
»Eine Visitenkarte? Nein, ich habe nichts erhalten.«
»Hm. Seltsam.«
Nun ahnte er bereits etwas vom Zusammenhang. Auch sein Schreiben hatte eine Rolle gespielt. Jemand hatte es abgefangen. Deshalb brach der Sturm gerade jetzt über dem Kopf dieser kleinen Zofe los. Es lief ihm kalt den Rücken hinab
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