Die Schrift in Flammen
nur in Lumpen hüllen können. Vielleicht wäre es klüger gewesen, das zu befolgen, was Herr Szabó befohlen hatte, und irgendeine Hebamme aufzusuchen. Jetzt wäre sie nicht in Not und Elend. Aber das hatte sie nicht wollen, irgendwie nicht tun können …
Was also jetzt, an wen sollte sie sich wenden? Eine Anstellung suchen in diesem Zustand? Eine Vermittlung für Dienstmädchen aufsuchen? Davon wusste sie nur vom Hörensagen, selber hatte sie ein Büro dieser Art nie betreten. Als Dorfmädchen war sie gleich aus dem Elternhaus ins Schloss von Simonvásár gekommen. Es waren viele Geschwister da, darum musste sie in den Dienst.
Zur Mutter nach Hause gehen? Schimpflich heimkehren mit diesem fremden Bankert im Bauch, als Schandmal des Dorfs, damit man sie verjagt? Und auch der Bursche wird vom Militär bald heimkehren, er, dem sie am letzten Abend die Hand gereicht hatte, bevor er vor etwa drei Jahren zu den 44-er Soldaten einrückte. Sollte er sie so zu sehen bekommen, so gefallen und verloren, um sie zu verachten, zu verspotten und zu bespucken? Nein, nein, lieber würde sie sterben als diese Schande ertragen! So grübelnd saß Ilus auf der Bank. Sie weinte nicht, sie starrte bloß vor sich hin.
Wenn doch die Fürstin Klára sich ihrer erbarmen wollte? Aber die deutsche Fráj hatte ja gesagt: »Sie Sie nicht empfängt!« Auch von ihr wird sie verachtet, auch sie hält sie für schmutzig. Dabei ist sie eine gute Seele, letzte Woche hat sie ihr, da sie den Brief übergab, sogar einen Kuss gegeben … Damals allerdings wusste sie noch nicht …
László Gyerőffy! Der konnte vielleicht helfen! Ja, ihn würde sie aufsuchen. Ihm zuliebe könnte Fräulein Klára vielleicht … ihm zuliebe!
Sie rappelte sich auf. Sie nahm die Korbtasche wieder in die Hand und setzte sich in Bewegung. Hier irgendwo wohnte Graf László, in der Nähe, in der Museumstraße. Vielleicht würde sie ihn zu Hause finden.
László ging im Tagesraum auf und ab. Wohl schon seit einer Stunde schritt er so hin und her. Er wartete, erwartete die Ankunft der kleinen Zofe. Er würde ihr die Botschaft erklären, sie ihr Wort für Wort beibringen. »So kann man nicht leben … Klára soll einen Weg finden …« Vielleicht könnte sie jeweils am Morgen durch das Mädchen ausrichten, was sie für den Tag plante. »So kann man nicht leben!«
Es läutete. László lief ins Vorzimmer. Es war wirklich die kleine Ilus, Ilus Varga. Er ließ sie herein. Warum hat sie eine Reisetasche bei sich? Doch diese Frage tauchte nur für einen Augenblick auf, und schon bat er sie eilig ins Zimmer. Ilus war vom Treppensteigen außer Atem. Die drei Stockwerke hatten sie sehr angestrengt. Sie keuchte und schwankte auch ein wenig, sie musste sich am Rand des Klaviers festhalten.
»Setzen Sie sich, meine Beste!«, sagte Gyerőffy. »Ruhen Sie sich aus«, und er nötigte das bescheiden ablehnende Mädchen, in einem Lehnstuhl Platz zu nehmen. Als sie nun gegenüber dem Fenster saß, fiel ihm ihr verzweifeltes Gesicht auf. »Was ist los? Ist etwas Schlimmes geschehen?«, fragte er.
»Verzeihen Sie, bitte, verzeihen Sie …«, stammelte Ilus unsicher, da ihr leicht schwindelte.
»Ich freue mich sehr«, fuhr László fort, »dass Sie haben kommen können. Ich habe Sie sehr erwartet.« Und unverzüglich kam er auf seinen Plan zu sprechen. Sehr schnell, leidenschaftlich redete er. »Nicht wahr, Sie wissen, meine Gute, dass ich und Klára … nicht wahr? Dass wir einander lieben?« Das Mädchen nickte, sie war ja deshalb gekommen, doch sie sagte nichts, sie nickte bloß stumm. »Und ich sehe sie seit Tagen nicht mehr, das ist ganz unmöglich, unerträglich! Es ist nun schon den vierten Tag so, und ich kann nicht schlafen, und ich halte das nicht aus … Deshalb also will ich, dass sie weiß: Ich sterbe, wenn das so weitergeht, so kann das nicht sein, nein, es kann, es kann nicht! … Schon den vierten Tag, eine Ewigkeit! Sie müssen ihr das sagen, denn ich wage nicht, ihr zu schreiben, ein Brief könnte verlorengehen, aber mit Worten, mit Worten sollen Sie es ihr ausrichten. Nicht wahr, Sie tun es? Sie helfen ihr ja beim Ankleiden, Sie haben oft Gelegenheit …«
Ilus versuchte einige Male, ihn zu unterbrechen. Ab und zu hob sie die von Nadeln zerstochene kleine Hand, aber sie vermochte den jungen Mann nicht aufzuhalten; er fuhr nur fort, seine Sache in abgehackten Sätzen zu erläutern. Nach und nach begriff sie, dass Gyerőffy, an den sie sich um Hilfe hatte wenden wollen,
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