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Die Schrift in Flammen

Titel: Die Schrift in Flammen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Miklós Bánffy
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ihr zu.
    Der junge Mann verharrte hinter der verglasten Tür. Er lauschte den sich entfernenden Schritten der armen kleinen Zofe. Sie wurden, wie sie dahinschritt, immer leiser. Jetzt machte sie die Kehre im zweiten Stock … jetzt im ersten … Dann vernahm er nichts mehr. Sie war fort.

    Die Geschichte des Stubenmädchens lastete schwer auf László. Wie viel Bösartigkeit es doch in der Welt gibt, dachte er. Seine freudlose Kindheit, der von seinem Vormund ausgeübte Zwang, ihn gegen seinen Willen zum Jusstudenten zu machen, seine Lebensumstände während mehrerer Jahre ohne Geld, die ihn schon vor der Volljährigkeit in Schulden stürzten; sein Dasein als Fremder überall, ob er sich hier oder in Siebenbürgen aufhielt; die Heimatlosigkeit, das Nirgends-Hingehören, die Art, wie er sich in der Welt herumtrieb – oft so schwer empfunden –, die vielen alten Wunden, deren Schmerz der Rausch seines in den letzten Monaten geführten Lebens betäubt hatte, wurden jetzt in seinem Inneren jäh wieder aufgerissen. Eine neue Verletzung war nun zu den alten Narben hinzugekommen.
    Im Fall der Ilus Varga begegnete László zum ersten Mal der Grausamkeit des realen Lebens. Bisher hatte er davon keine Ahnung gehabt. Er lebte in einer künstlichen Welt, in der die Schmerzen und Sorgen, ob sie dem Gefühl oder der Empfindsamkeit entsprangen, nicht minder quälend waren, da doch das Maß des Leidens subjektiver Art ist; aber bisher war er noch nie auf die Frage gestoßen, dass jemand nicht wusste, wie er sein Leben weiter fristen sollte und ob er morgen noch etwas zu beißen hätte; und dass jemand wie diese arme ledige Mutter im Ungewissen war, ob sie irgendwo eine Bleibe finden könnte, um dort ihr Kind zu gebären. Dies war unerwartet, überraschend und bestürzend. László lag indessen die Verallgemeinerung fern. Er ermaß nicht, dass es vielen Tausenden ein Leben lang ähnlich erging, er dachte nicht an deren Elend. Dies fiel ihm gar nicht ein, er sah da bloß einen einzelnen schrecklichen Tatbestand, bei dem ausnahmsweise mehrere tyrannische Handlungen zusammenwirkten und auf solche Art in eine unerhörte und nie gesehene Gemeinheit mündeten.
    Und diese Entsetzlichkeit war seinetwegen geschehen. Einzig darum, weil man ihn verfolgte, einzig wegen seiner Liebe. Weil er sich erkühnt hatte, unter Umgehung der Tante zu Klára Kontakt zu suchen, allein deswegen! Alles Übrige zog er gar nicht in Betracht. Er dachte weder an die Sultans-Herrschaft des Butlers Szabó noch an das Bediensteten-Inferno des Hauses Kollonich, an nichts von all dem, was die wenigen Worte der armen kleinen Zofe für die Dauer eines Augenblicks vor ihm beleuchtet hatten, alles war verschwunden, und übrig blieb einzig, was mit ihm selber zu tun hatte. Seinetwegen, einzig seinetwegen war das Unglück geschehen. Finsterer Zorn bemächtigte sich seiner, wie er nach der Rückkehr aus dem Vorraum lange in der Mitte seines Zimmers stehen blieb.
    Die Sonne war schon tief gesunken, ihre Strahlen streiften nur noch das Dach des Museums. Zeit zu gehen! Hinaus zum Park-Klub, vielleicht hielt sich Klára dort auf, vielleicht könnte er mit ihr ein Wort wechseln. Er warf sich in einen unnummerierten Fiaker, der schon seit der Mittagszeit vor dem Haus gerastet hatte, und ließ sich zur Stefánia-Allee hinauskutschieren. Klára und die anderen fand er nirgends. Er durchforschte mehrmals alle Räume, den Garten, die Grotte, alles. Nein, sie waren nicht da. Bei seinem Rundgang traf er mehrmals mit Imre Wárday zusammen. Auch dieser trieb sich herum wie er selber. Auch er schloss sich keiner Gruppe der sich zerstreuenden Gesellschaft an. Er wartete ebenso, oder er suchte jemanden. Dies allerdings fiel László nicht auf, er bemerkte es damals nicht einmal. Unbewusst verzeichnete und hielt er die Tatsache fest, die unter seinen Erinnerungen erst viel, viel später, nach mehreren Wochen erwachen sollte.
    Er fuhr zurück ins Casino. Dort zog er sich für den Abend um und nahm sein Nachtessen ein. Er war schlechter Laune. Um sich anzustacheln, trank er eine Flasche Champagner. Dann ging es zurück in den Park-Klub, vielleicht würden die Gesuchten jetzt beim Tanz mit dabei sein. Es fand kein ordentlicher Ball statt, nur Walzer folgten einander in unendlicher Reihe im unteren Gaststättenraum sowie manchmal ein Foxtrott. László hätte ein andermal doch die Leitung in die Hand genommen, er hätte die eine oder andere Quadrille inszeniert oder irgendeinen Scherz in der Form

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