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Die Schrift in Flammen

Titel: Die Schrift in Flammen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Miklós Bánffy
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verschwinden! Da ist Buch, Geld und Marsch hinaus! Sofort!«
    »Was, dass man mich … und so?!« Doch da erblickte das Mädchen Szabó, der drüben bei der Küchentür stand. »Das ist Ihr Werk! Ja, Ihr Werk, Sie haben das bewirkt … Herr Szabó!«, rief sie ihm zu, und ihre Stimme wurde immer schriller. »Das tun Sie mir an … Sie … gerade Sie!« Die Empörung und die Schande begannen sie zu würgen. Sie schwankte leicht und lehnte sich an die Wand. Dennoch gab sie auf die schönen Kleider acht; mit gestrecktem Arm hielt sie sie weit von sich und ließ sie baumeln.
    Auf den Lärm hin steckten die diensttuende Köchin und ein Küchenjunge die Köpfe heraus. Auch der Chefkoch erschien in der nächsten Türöffnung. Ilus Varga riss sich beim Anblick all dieser Gaffer zusammen; sie sollten sich nicht über ihre Schande entsetzen und sie bedauern. Ihre mutige, unbeugsame kleine Bauernseele lehnte sich auf und verlieh ihr Kraft. Mit erhobenem Haupt sprach sie zum deutschen Fräulein: »Nun gut! Gehen wir!« Und sie rührte sich.
    Die alte Jungfer ging voraus, das Mädchen hinter ihr. Als sie an Szabó, dem Butler, vorbeiging, blieb sie einen Augenblick stehen.
    »Gott wird Sie noch strafen, Herr Szabó«, sagte sie, während sie ihm in die Augen blickte. Dann schritt sie weiter. Die prachtvollen Ballkleider schwankten leicht, wie sie an ihrem hochgehaltenen Arm hingen – flaumartig leichte Abendtoiletten, aus Traum, Duft und Glanz gewoben. So schritt die kleine Zofe im dunklen, von Kohlenstaub bedeckten Korridor dahin, als trüge sie Träume – die Träume einer anderen – an ihrem weit ausgestreckten Arm.
    »Sehr geschickt hast du sie hinauswerfen lassen! Du bist ein geschickter Lausejunge«, lachte der dicke Chefkoch und hängte sich beim Butler ein, »erst machst du ihr ein Kind, und dann wirfst du sie hinaus … ausgezeichnet!« Und er zog Herrn Szabó hinter sich in sein Zimmer. Sein Lachen schallte noch lange.
    Das Fräulein übernahm auf dem Stockwerk die Kleider und brachte sie in den Garderoberaum.
    »Sofort Sie packen!« Dann kam sie gleich zurück, legte das Arbeitsbuch und das Geld vor sie hin und entfernte sich.
    Ilus packte eilig zusammen. Bald schon war sie damit fertig, sie hatte kaum Habseligkeiten. Es wäre sogar schneller gegangen, hätte sich unterdessen das Kind in ihr nicht gerührt, das freudlos empfangene Kind, um dessentwillen Herr Szabó sie jetzt verjagte … Sie war nun fertig. Die einfache, kleine Korbtasche in der Hand, betrat sie den Korridor. – Sollte sie nicht zu Fürstin Klára gehen, sich von ihr zumindest verabschieden …?
    Dort aber, hinter der Treppe, versperrte ihr Fräulein Schultze den Weg. Der Wächter des Gartens Eden mochte so unbarmherzig stehen. Denn sie hasste alle anderen Bediensteten, unter ihnen auch Herrn Szabó und den Koch, jedermann. Besonders aber hasste sie die vielen jungen Dienerinnen, die, wenn sie hübsch waren – und das traf gewöhnlich zu –, den Harem des Butlers bildeten. Mit der Säuerlichkeit, mit der Grämlichkeit der alten Jungfer verabscheute sie diese Frauen. Sie hatte von allem, was im Haus geschah, sehr wohl Kenntnis, aber mit Szabó suchte sie nicht Händel, dazu war er ein viel zu mächtiger Mann; geriet aber eines der Mädchen in Not, dann bedeutete es einen großen Genuss, sie hinauszuwerfen.
    »Ich möchte bloß der jungen Fürstin die Hand küssen«, sagte die arme Ilus, bereits sehr eingeschüchtert.
    »Sie Sie nicht empfängt! Gerade Sie nicht empfängt! Solch eine Dreckige, so eine Hure! Marsch!« Und der verdorrte, langgestreckte Arm zeigte ihr den Weg die Treppe hinunter. Ilus wandte sich um. Beim Hinuntersteigen auf den Stufen, wo das ausgestreute Reinigungspulver unter ihren Sohlen merkwürdig knisterte, und solange sie die beiden Höfe durchquerte und das Tor durchschritt, vermochte sie stark zu bleiben. Erst draußen auf der Straße wurde ihr der Schlag ganz bewusst, der jäh auf sie niedergesaust war.
    Ziellos machte sie einige Schritte. Zum ersten Mal fühlte sie sich müde, zum ersten Mal empfand sie das Gewicht ihrer Mutterschaft. Sie musste sich irgendwo hinsetzen, ein wenig ausruhen, überlegen, was zu tun war. Sie betrat den Museumsgarten und setzte sich auf eine Bank. Wohin, was beginnen?
    Die Stadtkinder tollten sich vor ihr. Ammen und Bonnes führten gutgekleidete Knirpse aus, sie bewachten Kinderwagen, in denen sich dicke Säuglinge sonnten. Der Anblick gab Ilus einen Stich ins Herz. Sie wird ihren armen Balg

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