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Die Schrift in Flammen

Titel: Die Schrift in Flammen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Miklós Bánffy
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eines Kotillons, aber jetzt hatte er dazu keine Lust, obwohl er zur Selbstbelebung einige Gläschen Cognac getrunken hatte. Die Zeit verging, und die Gewissheit festigte sich immer mehr, dass sich Klára und die anderen nicht mehr einstellen würden. Es ging schon auf Mitternacht zu, als Niki Kollonich erschien. László fragte ihn mit gespielter Gleichgültigkeit: »Tante Ágnes und die anderen kommen heute Abend nicht her?«
    »Nein. Wir haben einen Ausflug mit dem Schiff gemacht – nach Esztergom und zurück. Sie haben sich gut amüsiert, es hat sie aber schrecklich ermüdet. Zuletzt sind sie kaum mehr auf den Beinen gestanden«, antwortete Niki. Er lachte dazu, als verspotte er die Erschöpfung seiner Leute, doch László schien, als werde er selber von ihm bösartig verlacht. Auch spürte er, dass sein Gesicht sich verdüstert hatte, und so wandte er sich von Niki ab, ergriff ein Mädchen – er wusste nicht einmal, welches – und tanzte mit ihr einige Walzerrunden. Als er sich von ihr löste, beschloss er, nicht länger zu bleiben. Nein! Hier konnte er es nicht aushalten! Jetzt plötzlich fand er diese ewige Tanzerei furchtbar dämlich, und alle Anwesenden, Männer, Frauen und jedermann, waren ihm widerwärtig. Und er wusste, dass man ihm seinen Gram ansah, dass sein Lächeln linkisch und seine Augen zornig wirkten. Nein, hier war seines Bleibens nicht. Die Verfügung über die Zigeunerkapelle übergab er einem Kameraden, der ihm bisher schon Beistand geleistet hatte.
    »Ich habe Kopfschmerzen«, sagte er, »bitte mach du weiter!« Und er ließ seine Kutsche vorfahren.
    Wieder zurück ins Casino. Dort angelangt, ging er ins Bakk-Zimmer hinauf. Unter allen Räumen des Klubs fühlte er sich einzig hier zu Hause. Er war, bevor er nach Hause ging, um sich schlafen zu legen, nach Ende der Bälle auch in anderen Nächten schon immer wieder hierher zurückgekehrt. Dieser gewohnte Kartenraum zog ihn irgendwie an. Er wirkte auf ihn beruhigend. Und es lag etwas wollüstig Selbstquälerisches darin, das Gelübde zu halten und sich nicht zu den Spielern zu setzen. Zu solcher Stunde allerdings war die Teilnahme jeweils nicht mehr gerade verlockend, denn so gegen Morgendämmerung saß nur noch die sogenannte »schlechte Partie« da, Verlierer, die einzig danach strebten, von ihrem Passivum etwas auf einen anderen abzuwälzen, und die, sobald sie ein bis zwei »Coups« gewannen, vom Tisch wegliefen. Er war in solchen früheren Nächten natürlich zum Mitmachen ermuntert worden, er hatte sich aber nicht hingesetzt. »Es ist schon spät«, hatte er gesagt, war freilich doch noch eine gute Weile dort geblieben. Jetzt jedoch nahm sich die Lage anders aus. Mitternacht war kaum vorbei. Das Spiel wurde mit voller Kraft geführt. Alle »Großen« waren da, Neszti Szent-Györgyi, Arsenovics, Zalaméry und die anderen, und sie legten riesige Banken, so wie sie auch bei riesigen Einsätzen mithielten. László ging nicht nahe an den Tisch heran. Er setzte sich auf einen entfernten Diwan, und nach längerer Beratung bestellte er sein Diner. Er ließ auch Champagner und Cognac kommen. »Ich muss mich betäuben«, sprach er zu sich selbst. »Irgendwie muss ich auch an etwas anderes denken.«
    Der Raum lag im Dunkeln. Etwas Licht kam nur vom Spieltisch. Es war aber angenehm, da zu sitzen. Er vernahm die liturgischen Wörter des Bakk-Spiels: »Je donne … passe la main … acht … coup de giro …« Das wiederholte matte Klirren der Jetons, einige Bemerkungen, die dabei dort fielen, all dies verwob sich zu einer beruhigenden Musik, wie das leise Plätschern eines Bachs. Die Geräusche brachten seine zornige Wehmut nicht zum Erlöschen, doch wirkten sie so, als raunte ihm jemand zwar vergebliche, aber besänftigende Worte zu. Lange, umständlich dinierte er. Er mischte in jedes Glas Champagner ein Stamperl Cognac, um das Getränk zu verstärken. Vielleicht würde dies nützen! Rasch goss er es in sich hinein, dann schenkte er nach und kippte es abermals. Doch es nützte nichts. Im Gegenteil. Anfänglich schien der Alkohol seinen Schmerz eher neu aufzupeitschen; alle Bitternis der letzten Tage und die erschütternden Geschehnisse von heute fielen über ihn her.
    Die arme kleine Zofe! Diese Ilus Varga! Sie so zu behandeln, in diesem Zustand auf die Straße zu setzen! Welche Grausamkeit. Und niemand erbarmte sich ihrer. Nicht einmal Klára! Nicht einmal sie! Auch sie hat das Mädchen nicht vorgelassen, sondern abgewiesen. Wie war das

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