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Die Schrift in Flammen

Titel: Die Schrift in Flammen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Miklós Bánffy
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Fünftausend von neuem. Wie man zu sagen pflegt: Nun lief er schon hinter seinem Geld her. Das hatte er noch nie getan, denn bisher hatte er Gewinn wie Verlust stets ziemlich gleichgültig hingenommen. Heute hingegen war er störrisch; vielleicht lag das an seiner versteckten Bitterkeit oder an all dem Alkohol, den er getrunken hatte. Just zum Trotz! Er wird es dennoch zurückgewinnen! Als sich auch der fünfzehnte Tausender dem Ende zuneigte, sprach ihn Pray über den Tisch hinweg an: »Wie ich sehe, mein Freund László, war das kein guter Aberglaube!« Und er zwinkerte ihm höhnisch zu. Er liebte es, die Spieler zu ärgern, das in sie hineingestoßene Messer auch noch zu drehen. Er wusste, dass Zornige schlecht und verwirrt spielten, was ihm zupasskam und sich ausnützen ließ, wenn man in aller Ruhe achtgab. Aus diesem Grund frotzelte er die Verlierer oft mit einigen trockenen Worten, um sie in ihrer üblen Laune weiter zu bestärken.
    László gab keine Antwort, sondern schenkte sich ein weiteres Gläschen Schnaps ein und stürzte ihn hinunter. Äußerlich blieb seine Aufmerksamkeit vollkommen, aber im Inneren war er nicht mehr ganz bei sich … Am Ende doch ein Blödsinn, als Kiebitz so viel zu verlieren! … So kann man nicht gewinnen, wenn man immer nur bei den schlechten »Coups« setzt … Gewinnen kann nur, wer die Bank hält … Das ist doch ein Blödsinn … ein Blödsinn …
    Eh, er würde einsteigen! Klára wird er erklären, dass er nur noch dieses eine Mal … er wird es erklären …
    Er nahm einen neuen Kredit auf, löste für ein paar Tausender, die er bei sich trug, ebenfalls Jetons, und als das in einem Haufen zusammengelegte Kartenspiel an ihm vorbeiging, sagte er das entscheidende Wort: »Passe la main!«
    Etwas wie ein Schlag meldete sich in seinem Inneren: Tu das nicht! Das darfst du nicht! Aber er hatte es schon ausgesprochen … nun ließ es sich nicht mehr zurücknehmen. Die anderen würden ihn auslachen, sollte er jetzt aufstehen … und auch die fünfzehntausend, die er bisher verloren hatte, blieben unwiederbringlich hier.
    Es war etwa morgens um vier Uhr, als er sich der Partie anschloss. Die Kiebitze, die ausgeharrt und sich wegen der schrecklich hohen Einsätze beim Spiel schon ausgiebig entsetzt hatten, brachen nach und nach auf, um sich auf den Heimweg zu machen. Befriedigt gingen sie fort: Sie hatten genug Stoff, über den sie am nächsten Tag mit großer moralischer Entrüstung und um der Wirkung willen auch mit einiger Übertreibung würden berichten können.
    László spielte ganz wach. Nie hatte er so genau achtgegeben: Wer war bei der Austeilung der Karten dauernd vom Glück begünstigt, wer eher vom Unglück heimgesucht, welche Laune schien die »Taille« zu beherrschen. Der gesteigerte Gewinnwille schärfte seine Nerven, er machte ihn beinahe zum Seher. So wie ein Jäger – sagen wir: mit seinem sechsten Sinn – die Laufrichtung des Wilds erahnt, oder wie einst irgendeiner seiner kriegerisch siegreichen Ahnen auf seinem Streifzug das Anrücken des Feindes im Voraus gespürt hatte, so fühlte er wie durch ein Wunder die bevorstehenden Wendungen im Verhalten des Glücks. Noch nie hatte er so gespielt. Der Trotz, der von seinem Wortbruch herrührte, machte ihn entschlossen und grausam. So muss ein Kartenspieler sein, wenn er gewinnen will. Und er begann tatsächlich zu gewinnen. Er spielte ganz rhapsodisch, zum ersten Mal völlig unbekümmert darüber, was die anderen von ihm hielten. Er gewann zweimal, als er seine erste Bank gab. Vor der dritten Verteilung der Karten raunte ihm etwas wie eine innere Stimme zu, man werde ihn nun schlagen. Folglich halbierte er die Bank nicht, wie er es sonst getan hätte – denn Comte Neszti verfuhr in solcher Lage so –, sondern nahm alles heraus und gab die Karten weiter. In der Tat, man hätte ihn mit einer Neun überboten. Und so ging es weiter. In vier bis fünf Fällen setzte er nicht einen Pfifferling, und dann, irgendeinem inneren Geheiß gehorchend, sagte er plötzlich »Bank!« bei sehr großen Summen, und er gewann. In kaum einer Viertelstunde machte er seinen Verlust wieder wett und strich darüber hinaus noch etwa zehntausend ein. Hernach stand er auf und ließ die anderen wortlos zurück.
    In der schon hellen frühmorgendlichen Stunde spazierte er zu Fuß nach Hause. Ein triumphierendes Gefühl tobte in ihm. Er hatte das Schicksal bezwungen! So kam es ihm vor, und der Cognac, dem er ausgiebig zugesprochen hatte, erfüllte

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