Die Schrift in Flammen
plagte und dass die Abfahrt von ihr womöglich absichtlich verzögert worden war. Sie spürte, dass Klára darüber grübelte, was sie gleichen Tags beim Mittagsmahl über László vernommen hatte, und sie ahnte, dass das Gehörte für Klára eine große Enttäuschung bedeutete. Sie fand, da sie die Stieftochter seit deren Kindheit sehr gut kannte, dass es jetzt am klügsten war, sie nicht zu behelligen; möge sie nur brüten. Eine einzige böswillige Bemerkung über »diesen Laci« könnte Klára gleich umstimmen und sie dazu veranlassen, ihn in Schutz zu nehmen. Folglich saß sie stumm neben der Tochter in der Kutsche und störte mit keinem Wort die Kette von Gedanken, die sich in Kláras Seele unentwegt aneinanderreihten. Sie hatte sich schon seit Mittag auf solche Art gequält.
Sollte er gespielt, doch gespielt haben? Er wolle damit Schluss machen, er hatte es ihr gelobt, ihr darauf die Hand gegeben und spielte dennoch? Es war zu schrecklich und schmerzhaft, als dass sie es hätte glauben können. Vielleicht hatte Niki gelogen, oder jene logen, die es ihm erzählt hatten. Vielleicht war László nur beim Spiel anwesend … oder er ersetzte jemanden für eine Weile … Auch das hätte er nicht tun dürfen … aber es ließ sich doch noch rechtfertigen. Völlig erlogen konnte die Sache nicht sein, dazu hätte ihr Bruder den Mut nicht gefunden. Sie wollte nicht glauben und suchte eine annehmbare Erklärung, fand aber keine. Es wäre bereits eine Enttäuschung, wenn er irgendjemandem das Versprechen gegeben und nicht gehalten hätte. Dass er aber ihr gegenüber zum Wortbrüchigen wurde, die er, wie sie bisher gemeint hatte, grenzenlos liebte, dies erschütterte ihr ganzes in László gesetztes Vertrauen. Die unlängst gesprochenen Worte ihrer Stiefmutter fielen ihr ein: »Dieser falsche und doppelzüngige Laci …« Wenn es wahr sein sollte! Und die Sache mit Frau Berédy! Mit welch überlegener Gewissheit hatte sie die Behauptung zurückgewiesen, als Mama Ágnes darüber sprach, mit welcher Ruhe und Empörung. Und jetzt meldete sich auch dieser Verdacht, er nahm Gestalt an, hörte auf, eine aus der Luft gegriffene Verleumdung zu sein; er wurde vielmehr zu einer erwägbaren Möglichkeit, den ihr Wille zwar verwarf, der aber als eine verletzende, quälende, herzzerreißende Frage immer wiederkehrte.
Überlegungen dieser Art plagten sie schon seit der Mittagsstunde. Was mit ihr geschah, hielt sie für dermaßen beschämend, dass sie darüber mit niemandem sprach. Am Nachmittag in Gesellschaft, bei Besuchen, bei der Jause, die man draußen im Gerbeaud-Pavillon einnahm, und später beim Abendessen versuchte sie natürlich zu sein, sich gutgelaunt zu geben, obwohl sie sich keinen Augenblick von diesen Gedanken zu befreien vermochte. Und als sie dabei war, sich zum Ball umzukleiden, beschloss sie, die Abfahrt zu verzögern: Sie sollten nicht früh ankommen, damit László die Gelegenheit genommen werde, sich mit ihr zu unterhalten, bevor sie sich Gewissheit verschaffte, ob er wortbrüchig geworden sei oder nicht. Möglich, dass Mama Ágnes zürnen würde, aber das war nun gleichgültig. Wichtig war einzig, dass László von der Organisation des Balls schon gehörig in Anspruch genommen sein sollte, sodass er keine Möglichkeit mehr bekam, sich mit ihr auszusprechen, womöglich alles abzustreiten, sie zu belügen, denn davor, dass er lügen würde, hatte sie noch mehr Angst, das wäre noch schrecklicher, wenn es überhaupt noch etwas Schrecklicheres gab. Aus diesem Grund fasste sie den Beschluss, die Dinge beim Diner so einzufädeln, dass László nicht neben ihr zu sitzen käme.
So geschah es auch. Es ging allerdings etwas auffälliger vor sich, als Klára sich das gewünscht hatte, denn nach Beendigung des Kotillons stand Gyerőffy gleich neben ihr, und so musste sie ihren Tänzer zu einem anderen Tisch führen, bis sie sich in der Nachbarschaft eines bereits sitzenden Paars so niederlassen konnten, dass der Platz rechts von Klára, den László hätte einnehmen können, nicht mehr frei war. Sie musste sich von manchem Ort beinahe fluchtartig verziehen, bis sie dies schaffte, und sie meinte – der Vorsatz beschäftigte sie dermaßen –, dass jedermann ihr Manöver beobachte, obwohl in Wirklichkeit niemand etwas bemerkte; einzig László nahm es wahr, ihm allein bereitete es Überraschung und immer mehr schmerzliche Verwunderung. Der Zufall – oder das Schicksal? – wollte, dass auf diese Weise Imre Wárday rechts
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