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Die Schrift in Flammen

Titel: Die Schrift in Flammen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Miklós Bánffy
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viel. Ein ganzer Haufen von Jetons lag vor ihm auf dem Filz, er baute daraus mehrere niedrige Mäuerchen.
    Die Zeit schritt unbemerkt fort.
    Der Butler machte die Runde mit den Zetteln des Ein-Uhr-Kartengelds, das manche bar beglichen, während andere, die größeren Spieler, es sich auf ihr Konto schreiben ließen oder mit Jetons bezahlten. Und das Spiel setzte sich ungestört fort. Die Holztritte der inneren Treppe, die zur entgegengesetzten Seite des Saals führte, knarrten unter Schritten. Jemand kam herauf. László, der zufällig gegenüber dem Ausgang zur Treppe saß, blickte hin. Er traute seinen Augen kaum. Louis Kollonich war heraufgestiegen! Er hielt geradewegs auf den Spieltisch zu. Als er dort anlangte, blieb er unter den Kiebitzen, László gegenüber, stehen. Gleichmütig stand er da und paffte gemütlich seine im Mund hängende Havanna.
    Was sucht er da? Wozu ist er gekommen? Er, der sonst seinen Fuß nie in das Bakk-Zimmer setzt? Er ist da, um zu spionieren! Ihn, László, will er auskundschaften. Gewiss hat ihn Fürstin Ágnes hergeschickt oder … oder Klára! Entsetzlich! Klára sollte zu dergleichen imstande sein! Imstande, in das zwischen ihnen bestehende heilige Verhältnis die Eltern einzumengen, gegen ihn nach Beweisen forschen zu lassen, damit sie Anlass habe, ihn zu verlassen, eine Rechtfertigung, zu Wárday überzulaufen. Nun gut, wenn sie das will! Möge sie ihren Grund bekommen!
    Das Kartenspiel-Paket langte in diesem Augenblick bei László an. Plötzlich schob er mit beiden Handflächen alle Jetons hinein, die er so schön ordentlich als Mauern aufgebaut hatte. Die vielen Perlmuttblättchen ergossen sich mit dem Knistern von Seide übereinander, sie glitten vor ihm auf dem Filz auseinander.
    »Zwanzigtausend die Bank«, sagte er, »faites vos jeux!«
    Etwa zwölftausend wurden gesetzt. László teilte die Karten langsam, überlegt aus. Mit scheinbar vollkommener Ruhe prüfte er das eigene Blatt. Er hatte eine Fünf. »Je donne!«, sagte er trocken … »Non!«, antwortete der Gegner, worauf er eine weitere Karte herabnahm und mit ihr eine leicht schwebende Bewegung beschrieb, bevor er sie offen auf den Tisch legte. Es war die Karo-Drei. »Acht!«, und er deckte daneben seine ersten beiden Blätter auf. Hernach zog er mit dem kleinen Beinrechen die gewonnenen Einsätze zu sich, und er hob wieder mit den frostigen, rituellen Worten an: »Faites vos jeux!« All dies vollführte er in steifer Haltung, ohne mit den Wimpern zu zucken, mit hölzerner Miene und Stimme, in gewaltiger Selbstdisziplin, wie es jeweils Neszti Szent-Györgyi tat; sollte doch der Onkel etwas zu sehen bekommen, wenn er schon die Gnade hatte, sich zum Bakkarat zu bemühen, wenn er schon zu spionieren geruhte. Der alte Louis verweilte noch einige Augenblicke, er blickte mit seinen winzigen Augen gleichmütig vor sich hin, dann wandte er sich um und schlenderte zurück zur Treppe. Wieder knarrten die Stufen, als er hinabstieg. Nun war er weg.
    László gab inzwischen den zweiten, verlorenen »Coup« ab. In bester Ordnung zahlte er die einzelnen Gewinner aus – seine Disziplin bestand weiterhin –, und dann lehnte er sich in seinem Stuhl zurück. Schrecklicher Schmerz beinahe physischer Art überwältigte ihn, ihm wurde dabei leicht schwindlig, und er fühlte sich einer Ohnmacht nahe. – »Es ist aus, alles ist aus!« – Und als ob von der Decke Spinnwebvorhänge in Fetzen hinunterfielen und ihm die Sicht verdecken würden, immer mehr, fort und fort, ein Schleier, durch den hindurch er selbst den Tisch kaum mehr wahrnahm, so verschwanden die Gesichter seiner Nachbarn und der Saal, alles verlor sich im grauen, vom schwebenden Staub ausgefüllten Nebel. Lange, seiner selbst fast nicht bewusst, saß er da. Als das Kartenspiel zu ihm zurückkehrte, schob er es mechanisch weiter und murmelte dazu: »Passe la main.« Dann erhob er sich, um fortzugehen.
    Er torkelte ein wenig. Jemand hinter ihm bemerkte: »Gyerőffy ist heute anständig betrunken!« Von all dem hörte er aber nichts. Irgendwie langte er bei der Treppe an und ging, sich am Geländer stützend, langsam hinunter. Er wurde nur von seinen Beinen, nicht vom eigenen Willen getragen. Auf solche Art schaffte er es auch auf der Haupttreppe nach unten, wo man ihm in den Mantel half und seinen Hut reichte, und von dort setzte er nun seinen Weg fort, wie ein Schlafwandler ging er weiter, hinaus in die Nacht. Er ging unentwegt, kam in ferne Gegenden, doch er schritt dahin

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