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Die Schrift in Flammen

Titel: Die Schrift in Flammen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Miklós Bánffy
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von Klára zu ihrem Nachbarn wurde.
    László blieb für einige Augenblicke hinter ihrem Rücken stehen. Alle Nervenfasern Kláras meldeten, dass er überrascht und furchtbar enttäuscht dastand. Sie musste sich Gewalt antun, um nicht zurückzublicken und ihn zumindest mit einem Lächeln zu trösten. Doch sie blickte nicht zurück, sondern streifte gemächlich die langen Handschuhe ab und ordnete sie, als sie sie neben sich auf das Tischtuch legte, und unterdessen lauschte sie fiebrig, mit voller Aufmerksamkeit, wie lange noch László hinter ihr stehen würde. Endlich – ihr schien es beinahe eine Ewigkeit – hörte sie seine sich verlierenden Schritte; der junge Mann entfernte sich. Dem Mädchen schien, als sei zwischen ihnen beiden etwas zerrissen worden.

    Der Ball endete erst am hellen Morgen. László wurde durch sein Amt zurückgehalten, obwohl Klára und ihre Familie sich schon früher verzogen hatten. Ihn hielt die Gewohnheit, aber auch der Trotz zurück. Er tanzte bis zur Erschöpfung, denn er wollte sich ermüden, und gegen Morgen trank er auch viel Alkohol, um später schlafen zu können. Und er schlief tatsächlich, schlief einen todesähnlich tiefen, bis in den Nachmittag hineinreichenden Schlaf.
    Als er endlich erwachte, fühlte er die ungewisse Ahnung eines entsetzlichen Unglücks in sich pulsieren. Er kam langsam zu sich. Die Erinnerungen meldeten sich nach und nach. Und dann kam es ihm mit der Kraft eines Hammerschlags in den Sinn: Klára war ihm aus dem Weg gegangen! Absichtlich, kalt, frostig, grausam war sie ihm aus dem Weg gegangen. Sie hatte den ungeschriebenen Vertrag verletzt, laut dem sie seit dem Fasching beim Diner immer zusammen, nebeneinander saßen. Sie wollte nicht, dass er neben ihr zu sitzen kam! Sie wollte neben Wárday sein, ihn gegen Wárday austauschen! Dessen Nachbarschaft wünschte sie sich!
    Er erinnerte sich, dass damals, als sie nebeneinander gesessen waren, ihre Knie sich unter dem Tischtuch manchmal durch Zufall berührten; welch ein Glück, wenn dies einmal – selten – für einen Augenblick geschah, welche Verzauberung, obwohl er sich immer zu beherrschen wusste und sich zurückzog, denn seine Liebe war beinahe nur eine unkörperliche Anbetung; vom Frauenwesen des Mädchens vermochte und wagte er sich einzig ihre Lippen vorzustellen, den Mund, den er ein einziges Mal geküsst hatte. Jetzt aber, da Klára sich absichtlich, willentlich neben Wárday gesetzt hatte, jetzt packte ihn eine rasende Eifersucht, und der Gedanke ging ihm durch den Sinn: Wie, wenn ihre Knie sich unter dem Tisch vielleicht berührt haben … wenn Klára das vielleicht duldet, wenn es ihr vielleicht gar nicht zuwider ist, wenn Wárday womöglich … oh, fast ganz sicher, denn dieser verehrt Klára nicht so wie er … Vielleicht sucht er die Gelegenheit und beschmutzt mit seinem Verlangen das Mädchen, diese reine Seele?
    Das war ein entsetzlicher Gedanke, den er aus seinem Kopf gleich verjagte. Was er indessen nicht zu verjagen vermochte, war die offensichtliche, unbestreitbare Tatsache, dass Klára am Abend zuvor ihn daran gehindert hatte, ihre Tischnachbarin zu sein; damit hatte sie den zwischen ihnen zwar ohne Worte geschlossenen, aber festen Vertrag gebrochen. Dann war also alles zu Ende … alles zu Ende!

    Nach langem Grübeln, bei dem ihn im zunehmend dunklen Zimmer immer mehr Plagegeister auf und ab jagten, kleidete er sich endlich an und ließ sich zu später Stunde ins Casino fahren.
    Es war Nachtessenszeit. Er setzte sich an einen der dicht besetzten Tische zwischen Arsenovics und Zalaméry. Und als sich diese nach dem schwarzen Kaffe und viel Likör hinauf ins Bakk-Zimmer begaben, ging er mit. Er wartete gar nicht darauf, eingeladen zu werden. Er schloss sich der Partie von sich aus an und begann gleich mit sehr großen Einsätzen zu spielen; als wollte er, indem er verwegen hohe Banken legte und riesige Summen hielt, sich wegen ihres Wortbruchs an Klára rächen. Daran, dass er selber wortbrüchig geworden war, dachte er gar nicht mehr. Obwohl er beim Mahl und auch danach sehr viel getrunken hatte, fühlte er sich stocknüchtern. Einzig der Trotz steigerte sich – vielleicht unter der Wirkung der vielen Getränke –, der Trotz, der sein ganzes Wesen wie eine Flamme verzehrte. Wieder meldete sich das sonderbare Seher-Gefühl, das ihm zuzuflüstern schien, wann er »Bank!« sagen und wann er sich zurückhalten sollte. Und obwohl er wie ein Verrückter spielte, gewann er doch sehr

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