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Die Schrift in Flammen

Titel: Die Schrift in Flammen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Miklós Bánffy
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Rücken zu Heiterkeit Anlass gab. Dabei war all das, was der alte Absolon erzählte, wahrscheinlich wahr, denn Bálint erinnerte sich, dass in Stockholm ein alter Russe, der einst Prschewalskij nach Khotan begleitet hatte, sich nach Miklós Absolon erkundigte und mit Hochachtung über ihn sprach: ob er die Ergebnisse seiner weltweit bedeutenden Tibetreise schließlich nicht doch publiziert habe. Absolon behauptete, er habe sich als Pilger verkleidet und so Lhasa besucht, auf der Flucht zurück sei er aber in einer Grenzregion Tibets erkannt worden, und man habe ihm das Bein gebrochen; dass er, zumal in diesem Zustand, gerettet worden sei, grenze an ein Wunder.
    Die Siebenbürger indessen glaubten ihm kein Wort, und sobald der alte Herr sich gesetzt hatte, hob einer mit unschuldiger Visage gleich an: »Tut Ihnen das Bein immer noch weh, Onkel?«
    »Wie sollte es mir bei so großer Änderung der politischen Wetterlage nicht wehtun?«, gab Absolon lachend zurück.
    »Wann ift ef tatfächlich verletzt worden?«, lispelte der kleine Kamuthy.
    Der alte Asienkenner musterte scharf den kleinen Kamuthy. Er wusste wohl, dass man mit ihm Scherz trieb, doch seinerseits amüsierte er sich über jene, die ihn neckten, da er wusste, dass das, was er ihnen erzählte, die reine Wahrheit war. Er gab darum gern Antworten, und innerlich lachte auch er über die anderen.
    »Damals, als ich dem Dalai Lama eine Visite abstattete«, erwiderte er.
    Die Zuhörer stießen einander mit dem Ellbogen an, und weiter hinten gab es auch einige, die sich vor unterdrücktem Lachen schüttelten. Doch der Reiseveteran sah sich jetzt um, und am Tischende erblickte er Abády. »Wer bist denn du?«, sprach er zu ihm. Man stellte ihm Bálint vor. »Du bist der Sohn von Tamás, nicht wahr? Er war ein guter Freund von mir, servus!« Dann wandte er sich dem Anwalt und Abgeordneten zu: »Ich habe Ihren Vortrag gestört, Herr Advokat. So fahren Sie fort, fahren Sie nur fort, damit auch ich etwas lerne.«
    Boros begann von neuem mit seinen staatsrechtlichen Ausführungen. Absolon hörte den schön fließenden Worten eine Weile ruhig zu, ab und zu nickte er; unterdessen kramte er eine schwarze, kurze Zigarre hervor, biss mit seinen blendend weißen Zähnen das Ende ab und spuckte es hinter sich. »Gesetze, natürlich, die sind gut, die braucht es!«, bemerkte er schließlich, den anderen unterbrechend. »Gesetze gibt es überall, selbst in der Wüste. Wer dort eine Frau stiehlt, kann sich mit zwei Schafen auslösen, doch wer etwas Wertvolles stiehlt, zum Beispiel ein Kamel, der wird unbedingt gehängt.«
    Zsigmond Boros erblasste leicht vor Wut; frostig sprach er hinter seinem gepflegten, spatenförmigen Bart: »Ich sehe den Zusammenhang nicht!«
    »Es gibt auch keinen!«, erwiderte Absolon und lachte dazu. »Nur so, weil wir uns gerade über Gesetze unterhalten haben …«
    Einige steckten im Hintergrund die Köpfe flüsternd zusammen. Ein bösartiger Mann war er, der alte Herr! Boros hatte zurzeit einige Unannehmlichkeiten in Zusammenhang mit einem fetten Nachlass. Doch der vorzügliche Jurist und der alte Absolon blickten einander nur kurz starr in die Augen, Boros setzte seine Rede bald schon fort, seine Worte ergossen sich üppig …
    Während der Vortrag fortdauerte, hielt eine geschlossene, verglaste Kutsche auf der anderen, dem Berghang näher gelegenen Straßenseite. Zwei müde Pferde waren vorgespannt. Ein alter Kutscher saß auf dem Bock. Kaum war das Gespann zum Stillstand gekommen, als sich ein junger Mann vom Gehsteig dorthin begab, sich durch die Kutschentür lehnte, lange verweilte, um dann zurückzukehren, worauf ein anderer Jüngling zum Wagen ging. Offenbar überbrachten sie der unsichtbaren Persönlichkeit, die drinnen saß, eine Meldung. Dann wurde Hauptstuhlrichter Gálffy hinbestellt, und nachdem auch er das Gespräch beendet hatte, blieb er bei der Rückkehr neben Abády stehen.
    »Gräfin Sarmasághy lässt Sie bitten«, flüsterte er ihm ins Ohr, »sie sitzt im Wagen.« Bálint war die Aufforderung zwar sehr zuwider, aber es blieb ihm nichts anderes übrig, er musste gehorchen. Eine verdorrte, kleine Hand stieß aus der Dunkelheit der Droschke vor und griff nach ihm. »Komm zu mir herein«, ertönte es dünn piepsend, und krallenartige Finger zogen ihn hinein. Kaum war er drinnen, fuhr der Wagen los.
    »Ich nehme dich mit, Bálint, mein lieber Vetter, denn ich will in ein Gasthaus, und das kann eine Dame von meinem Schlag doch nicht

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