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Die Schrift in Flammen

Titel: Die Schrift in Flammen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Miklós Bánffy
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letztes Jahr einer der Anführer der pausenlosen Obstruktion, der sogar Ferenc Kossuth entgegengetreten war, als dieser friedfertige Töne anschlug, er, dem der Löwenanteil daran zukam, dass der Kampf um die Kommandosprache zu dieser Entwicklung geführt hatte. Er war ein breiter, braunhaariger, vierschrötiger Mann mit einem kurz gehaltenen Bart und einer auffallend niedrigen Stirn, die so leuchtete, wie wenn sie geschliffen wäre. Er hatte große, wässrige Augen und buschige Brauen, doch nicht sie weckten die Aufmerksamkeit des Betrachters, sondern sein riesiger Mund. Seine Lippen, als wären sie durchtrainiert dank der Unzahl von Wörtern, die sie bisher schon schallend hinausgeschleudert hatten, waren kräftig und breit gewölbt, eingebettet auf beiden Seiten in Muskelpakete, die, dem Redeorgan zu Diensten, es je nach Bedarf auseinanderzogen, zuspitzten oder daraus einen Lautsprecher formten. Auch jetzt, da er sich mit seinen Anhängern unterhielt, krachten seine Sprüche in den Abend hinaus, als schicke er sie durch ein Sprachrohr in die Welt. Seine Parteigänger saßen natürlich in einer Runde um ihn. Ördüng, der suspendierte Vizegespan, befand sich gleich neben ihm, da er nun in dieser Angelegenheit in der Märtyrerrolle auftrat, ebenso der Abgeordnete Béla Varju, ferner der alte Bartókfáy als »Zeuge großer Zeiten« und Istike Kamuthy mit seinem Säuglingsgesicht, beide erfolglose Kandidaten bei den letzten Wahlen und jetzt umso eifriger, da sie sich von der Änderung der Regierung ein Mandat erhofften. Der Führer sprach nur ab und zu, er beschränkte sich eher auf Antworten an Zsigmond Boros, den wortgewandten Anwalt, der mit seinen präzisen und blumig gebauten Sätzen selbst die verwickeltsten staatsrechtlichen Lehrmeinungen so klar darzustellen wusste. Er führte das große Wort, und dies zu Recht, war er doch einer der Abgeordneten von Vásárhely. Zum Kreis gehörten sodann Jóska Kendy, mit seiner ewigen Stummelpfeife zwischen den Zähnen, und Onkel Ambrus Kendy. Sie beide saßen schweigsam da, was im Fall Jóskas dessen Natur entsprach, für Onkel Ambrus aber als ungewöhnlich galt. Sonst pflegte er tüchtig zu lärmen, doch heute schwieg er und begnügte sich damit, von Zeit zu Zeit zum Scherz bäurisch zu rülpsen; an diesem Abend übertrieb er sogar die stets gespielte Rolle des braven und gutmütigen, ungehobelten Kerls. Wie ein neugeborenes Kind – eine so unschuldige Miene setzte er auf. Manchmal freilich flüsterte er mit seinen Nachbarn, mit Zoltán oder Ákos, den beiden jüngeren Alvinczys, von denen dann der eine oder andere jeweils für eine Viertelstunde verschwand. Hinter diesen Leuten hatte sich eine beträchtliche Zuhörerschaft eingefunden, die sich inbrünstig am Anblick der Führer erfreute. Am Rande des Gehsteigs wiederum hatten sich die allzeit Neutralen eingefunden, unter ihnen Jenő Laczók und Soma Weissfeld. Auch sie klopften patriotische Sprüche, spendeten Beifall und hielten es mit den anderen, als wollten sie für ihr bisher lauwarmes Verhalten Absolution erlangen.
    Auch Abády saß eine Stunde lang an Barras Tisch. Gesprochen wurde über allgemeine Themen. Über die am nächsten Tag fällige Komitatsversammlung fiel kein Wort. Die Anführer mieden diese Frage. Dabei wusste jedermann, was sie vorhatten. Es war ein vorzüglicher, geheimer Plan. Sobald der Obernotar, der den Vorsitz führt, die Sitzung eröffnet, wird Béla Varju aufstehen und vor der Tagesordnung der Versammlung den Antrag stellen, den Obernotar zu suspendieren. Geschieht dies, worauf man mit Gewissheit zählte, dann muss der Notar den Vorsitz dem Präsidenten des Waisenamts übergeben, dem jüngeren Bruder des alten Bartókfáy, der – und dies war schon abgesprochen – verkünden wird, dass die Komitatsversammlung den Obergespan der Trabanten in sein Amt nicht einführt. Die Regierung ihrerseits wird hierauf natürlich ihn suspendieren, doch dann muss nach der Rangordnung der Hauptstuhlrichter Gálffy die Führung der Geschäfte an der Spitze des Komitats übernehmen. Auf diese Weise würde dann der Widerstand auf mehrere Monate gesichert sein. All das war ausgezeichnet und vor allen Dingen rechtmäßig. Grund zum Kummer bestand einzig darum, weil es im Komitat – wie bei allen Fragen – eine Gegenpartei gab, denn es war zwar schon mehr als fünfzig Jahre her, dass das Komitat Torda und Marosszék sich vereinigt hatten, doch die Öffentlichkeit des früheren Székler Stuhls wollte immer

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