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Die Schrift in Flammen

Titel: Die Schrift in Flammen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Miklós Bánffy
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unterhalten und dem er von seinem bewegten Leben dies und jenes berichten konnte. Seine Erinnerungen strömten, wie sich die Flut beim Öffnen einer Schleuse ergießt. Er erzählte von Paris, wo er im Alter von vierzig Jahren die Ingenieurprüfung abgelegt hatte, von Algier, wohin er mit einem Arbeitsvertrag gezogen war. Und wie sein Chef dort umgebracht worden sei, wie er den Bau der Eisenbahn gegen den Widerstand wilder arabischer Stämme trotzdem zu Ende geführt habe. Und dass man versucht habe, ihn mit einem sehr ansehnlichen Gehalt für immer zu gewinnen. »Aber der Teufel will dort bleiben«, sagte er, »ein Hundeleben!«
    Bálint hörte zu, und währenddessen verirrten sich seine Augen hinüber zum langen Tisch. Überrascht stellte er fest, dass sich nun auch die beiden Alvinczys unter den Jusstudenten befanden. Sie mussten in der Zwischenzeit gekommen sein, und ihm schien, dass sie Verfügungen trafen. Manchmal ließ sich das eine oder andere laute Wort klar vernehmen: »Anfänglich muss man sich still benehmen … Losgehen soll es erst, wenn ich die Hand hebe! Versteht ihr, erst dann«, sagte er, und sie steckten flüsternd die Köpfe zusammen.
    Laczók indessen erzählte gutgelaunt weiter: »Wie auch immer, hier zu Hause ist es besser, und sei es nur darum, weil ich für meinen liebenswerten jungen Bruder ein großes Ärgernis bedeute.« Und nun erzählte er, dass Jenő Laczók, zusammen mit dem Bankier Soma Weissfeld, eine Aktiengesellschaft gegründet habe zur Bewirtschaftung des Waldbesitzes in Gyergyó, der den beiden Brüdern gemeinsam gehörte. Er habe es getan, um ihm seine Einkünfte zu klauen. Die beiden deichselten es geschickt. Ihm gegenüber behaupteten sie, das Gut bringe nichts. Ihn selber kümmere das nicht einmal sonderlich. »Ich komme auch so durchs Leben.« Aber von Zeit zu Zeit behellige er sie mit einem Brief. Und bei solcher Gelegenheit müssten die beiden wohl viel kritzeln, Geschäftsberichte und Tabellen erstellen. »Die schaue ich mir nicht einmal an, aber ich kann mir vorstellen, wie sie sich ärgern. Das amüsiert mich prächtig.«
    Die Gesellschaft am benachbarten Studententisch löste sich auf, die Leute machten sich auf den Weg. Als sie dabei waren, die Wirtschaft zu verlassen, fielen noch Worte, die Bálint zu hören bekam. »Die Eier muss man am Morgen verteilen«, sagte Ákos Alvinczy zu einem der jungen Männer, »mindestens zehn pro Kopf.«
    »Zehn Eier pro Kopf?«, fragte sich Abády. »Ein so ausgiebiges Frühstück kriegen sie?« Der Ingenieur Laczók jedoch sprach weiter, und Bálint hatte die Begebenheit bald vergessen.

    Der Saal des Komitatsgebäudes hatte sich schon lange dicht gefüllt, obwohl es noch nicht zehn Uhr war. Die Mitglieder hatten sich aber viel früher versammelt, denn unter der »Suspendierungs-Partei« ging ein Gerücht um: Der Obernotar – »Oh, der Schurke!« – werde die Uhren im ganzen Komitat vorstellen und die Türen schon um halb zehn schließen lassen, um dann den Obergespan der Trabanten vor leerem Saal einzuführen und im Amt zu bestätigen. Bei den Anhängern der »Beschluss-Partei« wiederum hieß es, die Gegner wollten jeden Eingang sperren, um dann die Entscheidung allein zu fällen. Darum hatten sich beide Parteien früh eingestellt. Doch nicht nur die Mitglieder der Komitatsversammlung befanden sich hier, sondern auch dreißig bis vierzig Jus- und Ökonomiestudenten, die im Rudel gekommen waren und unter der Führung der beiden Alvinczy-Jungen die Treppe des Komitatsgebäudes im Sturm genommen hatten; die paar Haiducken suchten sie vergeblich zurückzudrängen. Manche von ihnen saßen auf der Galerie, wo sich in der Mitte Tante Lizinka, die Seele des Widerstands, niedergelassen hatte; die meisten drängten sich hinten im Saal, gegenüber dem Podium des Vorsitzenden.
    Das Podium war leer. Die Amtsträger hatten sich noch nicht eingefunden. Die Parteien bezogen Stellung auf den beiden Seiten des Saals: rechts in der ersten Reihe der große Sámuel Barra, der greise Bartókfáy, Varju, der kleine Kamuthy, Onkel Ambrus und die Alvinczys; drüben saß vorne Miklós Absolon allein auf einem Stuhl, wie auf dem Thron, und hinter ihm die Leute aus der Region des oberen Maros und von Görgény – eine namenlose Armee, die einzig Absolon folgte. Viele gingen zwischen den zwei Seiten hin und her, sie diskutierten und scherzten. Aufgekratzte Kampfeslust beherrschte die meisten; sie freuten sich. Heute würde es einen richtigen Klamauk geben!

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