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Die Schrift in Flammen

Titel: Die Schrift in Flammen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Miklós Bánffy
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Etliche handelten die Nachrichten aus Pest ab. Die neueste besagte, dass nun auch im Komitat Csík ein Obergespan ernannt worden sei, ein gewisser János Cseresnyés. Einige kannten Cseresnyés: »Der, den man bei uns ernannt hat, der ist wenigstens Schulinspektor in Nagy-Küküllő, aber Cseresnyés ist nur ein schmutziger Agent mit verdächtigen Geschäften. Die muss man in Erfahrung bringen, man muss ihn bloßstellen!« Andere erinnerten sich, dass er in Torda-Aranyos Praktikant gewesen sei, nichts anderes. Auch von diesem Posten habe man ihn davongejagt. Und viele Worte fielen darüber, dass man die Amtseinführung in Csík verhindern müsse. Die Beamten gingen unterdessen durch die kleine Tür hinter dem Tisch des Vorsitzenden abwechselnd hinein und hinaus. Sie verhandelten mit dem und jenem, die Fremden, die Studenten sollten den Saal verlassen, denn der Obernotar sei nicht bereit, die Sitzung zu eröffnen, solange sie sich hier befänden. Auch dies gibt Stoff zu wortreichen Diskussionen, ebenso die Frage, wer als Erster sprechen soll, bevor die Themen der Tagesordnung an die Reihe kämen: Sámuel Barra oder der Redner der »Beschluss-Partei«. Schließlich einigte man sich, dass Barra als Erster reden sollte und die Juristen sich still verhalten würden – Barra versprach es –, und so ging die hintere Tür gegen elf Uhr auf, durch die Bartókfáy, der Präsident des Waisenamts, die Vizenotare und die Beisitzer hereinkamen, sowie Péter Benő Balog, der Obernotar, der den Vorsitz führte. Er setzte sich in der Mitte und schwang die Glocke. Alle begaben sich auf ihre Plätze. Gespanntes Warten.
    »Ich eröffne die für heute anberaumte Komitatsversammlung«, sagte Balog in offiziellem Ton. »Zur Beglaubigung des Protokolls beauftrage ich … Ihr Fernbleiben entschuldigt haben …« Zuletzt dann sagte er: »Der Erlass des Innenministers …«
    Gewaltiger Lärm brach hierauf los. »Es gibt keinen Minister! Schweinerei! Schurkerei!« So tönte es von allen Seiten. Ein Beamter las etwas vor, doch war kein Wort zu vernehmen.
    Der große Barra hatte sich bereits erhoben, als mitten im Lärm die kleine Tür hinter dem Vorsitzenden aufging. Ein großer, schmächtiger und totenblasser Mann schlich sich herein und betrat, die Hand auf dem Herzen, das Podium. Seine weit aufgerissenen, schreckerfüllten Augen blieben hinter seiner schweren Brille unsichtbar. Auch der Vorsitzende sprang auf und las stehend etwas von einem Papier ab.
    Entsetzliches Geschrei setzte ein. »Nieder mit ihm! Abzug! Landesverräter!« Onkel Ambrus stieß mit dem Ellbogen Zoltán Alvinczy an. Dieser hob die Hand. Eier flogen von der Galerie und von hinten im Saal. Man hatte gut gezielt, die jungen Leute waren, dies sah man, im Ballspiel geübt, die Eier flogen um den Schulinspektor-Obergespan, der den Kopf hin und her riss, bis ihn eines an der Stirn traf und das Eigelb ihm über das Gesicht hinunterfloss. Nun tauchte der Obergespankandidat hinter dem Tisch unter, um den Geschossen zu entgehen. Manche vom Ende des Saals stürzten mit erhobener Faust nach vorn zum Podium. Der arme Schulinspektor sprang zur Seite, dann nahm er durch die kleine Tür Reißaus und verschwand. Der Vorsitzende rief etwas und räumte ebenso das Feld. Die Menge strömte zusammen. Manche schrien, doch die meisten lachten, am lautesten der breite Bass von Onkel Ambrus: »Das war gut! Das ist gut!« Und er trommelte freudig auf seine Knie.
    »War das dein Werk?«, fragte ihn Sámuel Barra mit lachendem Mund, doch mit zürnenden Augen, denn er mochte es nicht, wenn er eine Rede nicht halten konnte. Ambrus antwortete nicht, er wiederholte nur lachend: »Gut ist das! Großartig! Das ist’s, was wir Ungarn brauchen!«
    Allerlei Gruppen bildeten sich und diskutierten darüber, ob nun der Obergespan den Eid abgelegt habe oder nicht, ob der Eid gültig sei oder nicht, sie beschimpften den Obernotar, »diesen Verräter«, und berieten, was sich gegen ihn unternehmen ließe.
    Bálint, der zur Versammlung verspätet eingetroffen und darum bei der Eingangstür eingeklemmt worden war, blickte auf seine Uhr. Es war erst halb zwölf. Alles hatte sich in kaum zwanzig Minuten abgespielt. – Wenn ich jetzt weggehe, erreiche ich noch den Ein-Uhr-Zug, dachte er. Er drehte sich um und verließ den Saal. Zwar hatte auch er geschrien und die Faust gehoben, hatte über die komische Szene gelacht, als der Obergespan im Eierhagel hin und her gesprungen, in die Hocke gegangen und fortgerannt war,

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