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Die Schrift in Flammen

Titel: Die Schrift in Flammen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Miklós Bánffy
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allein betreten.«
    Die Pferde trabten langsam, und die alte Lizinka beklagte sich fortwährend: »Schrecklich, wie viel ich herumlaufen muss, ich kann gar nicht mehr, mit so vielen Leuten habe ich schon gesprochen. Aber es muss sein. Ich will dem alten Tunichtgut Absolon zeigen, dass nicht immer das geschieht, was er will.«
    »Wo fahren wir hin?«, fragte Abády.
    »An den Stadtrand. Dort gibt es irgendeine Schenke. Man meldet mir, Tamás Laczók sei dort, dieser Schuft ist auch ein Vetter von mir, ich will mit ihm reden. Warum, fragst du. Ja, wegen der Komitatsversammlung. Es heißt, er stehe mit dem Chefingenieur auf gutem Fuß, so will ich also, dass er ihn dazu bringt, morgen mit uns für die Suspendierung zu stimmen.«
    Die Greisin seufzte und setzte auseinander, welche Lauferei sie an diesem Tag in der Stadt schon hinter sich gebracht und wie hart sie sich für den Stimmenfang eingesetzt habe, sie könne fast nicht mehr, aber sie gebe nicht nach!
    Die alten Pferde trotteten lange, bis sie endlich in der Außenstadt vor einer Gartenwirtschaft anlangten: mit rotem Tuch bedeckte Tische unter mageren Akazien. Viele junge Menschen, Klausenburger Studenten und Hörer der landwirtschaftlichen Hochschule, hatten sich in der Mitte an einem langen Tisch niedergelassen, und sie führten große Reden. Seitlich, von ihnen nicht weit, saß der Eisenbahnbauer Tamás Laczók allein.
    Bálint erkannte ihn gleich, denn er war eine vollkommene Kopie seines Bruders Jenő: der gleiche breite Mann von niederem Wuchs wie der Herr von Vársiklód, doch nicht so beleibt. Er war ebenso kahlköpfig und von chinesischem Aussehen, und dies vielleicht noch betonter, denn er trug einen Bart, der in Büscheln spross und unten wie eine Laute spitz auslief, so wie man die Weisen aus dem himmlischen Reich darzustellen pflegt. Tante Lizinka trippelte zu ihm hin. »Guten Abend, Tamás, mein Lieber, wie geht es, wie steht es? Ach, wie lange ich dich nicht mehr gesehen habe! Du hast dich gar nicht verändert. Gut, dass ich dich finde …« Dergleichen krächzte sie, tätschelte Laczóks Wangen, drückte einen Schmatzkuss auf seine Stirn und ließ sich neben ihm nieder. Sie stellte Bálint vor, und dann ging sie gleich die Politik an. Sie sprach endlos, mit einer gewaltigen Zungenfertigkeit, die zahllosen staatsrechtlichen Argumente strömten nur so aus ihr heraus. Tamás Laczók hörte ihr in Ruhe zu und machte ein Gesicht, als verstünde er von all dem nicht das Geringste; er nahm ab und zu einen Schluck von seinem Bier, während er in der Tasche eine Zigarette nach der anderen drehte; wie die Spanier führte er sie an den Mund, befeuchtete mit der Zunge das Papier am Rand entlang und setzte die Zigarette in Brand, sagte aber kein Wort. Er sprach erst spät, nachdem Lizinka ihn schon lange zuvor gebeten hatte, im Interesse der guten Sache beim Chefingenieur ein Wort einzulegen: »Ma chère tante«, sagte er auf Französisch, »vous avez eu la bonté de tant radoter sur mon compte … – Sie hatten die Güte, über mich so viel zu schwatzen, dass ich keinen Grund sehe, Ihretwegen auch nur einen Schritt zu tun.«
    Lizinka verteidigte sich. Es nützte ihr nichts. Tamás Laczók nickte nur gemütlich und wiederholte fortwährend: »Mais oui, ma chère tante, c’est ainsi, c’est ainsi …«
    Als sie eingesehen hatte, dass ihr Leugnen nichts fruchtete, sprang Tante Lizinka auf. »Tu es un cochon! Tu as toujours été un cochon! Tu seras toujours un cochon! – Du bist ein Schwein, du warst es und wirst es immer bleiben«, kreischte Tante Lizinka, und nachdem sie ihm das ins Gesicht geschleudert hatte, lief sie mit einer Schnelligkeit, die dieser gebrechlichen Frau niemand zugetraut hätte, hinaus und stürzte sich in ihren Wagen. In ihrer Wut hatte sie Abády vergessen, der sich von seiner Überraschung erst erholte, als die Kutsche schon losgefahren war.
    »Lieber Onkel, ich kann wirklich nichts dafür«, rechtfertigte er sich bei Laczók. »Mir war von all dem gar nichts bekannt.«
    »Ich freue mich sehr, dass du sie hergeführt hast«, beruhigte ihn der andere lachend, »wenigstens habe ich dieser alten Hexe meine Meinung sagen können … Bleib du aber da, zumindest einmal treffe ich jemanden meines Schlags. Seit ich heimgekehrt bin, meidet man mich wie einen Aussätzigen.«
    So blieb Bálint also. Er bereute es nicht. Dieser zynische Mann war interessant und merkwürdig. Offenkundig freute er sich, dass jemand sich fand, mit dem er sich

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