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Die Schrift in Flammen

Titel: Die Schrift in Flammen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Miklós Bánffy
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selber. Sie hatte schon vor Abádys Ankunft alles ausprobiert. Das also war in Ordnung. Anderes aber bereitete ihr Sorge. Wie sollte sie Bálint empfangen? Ihre Schwestern pflegten, nachdem sie zu Bett gegangen war, noch lange bei ihr zu sitzen. Sollte sie hieran etwas ändern, dann fiele das sofort auf. Nein, daran war festzuhalten. Aber danach? Sollte sie sich hernach wieder ankleiden? Das wäre sehr umständlich. Oder wäre es besser, einen Schlafrock anzuziehen und ihm erst dann das Zeichen zu geben? Nein, das war ebenso wenig gut. Nein, nein! Ein Schlafrock öffnet sich leicht, es war schwer, darauf zu achten, ihr Knie oder … ihre Schulter könnten unbemerkt zum Vorschein kommen … Nein, das nicht! Sie erschauerte ein bisschen, als sie sich dies durch den Kopf gehen ließ. Am besten war es doch, ihn im Bett zu empfangen – Bálint hatte sie ohnehin so schon einmal gesehen –, sie würde die Dauendecke bis zum Kinn hochziehen können, sie sich fest um den Körper wickeln wie neulich in Almáskő …
    Ob diese Überlegungen allein entscheidend waren? Sie legte es sich selber einzig so zurecht, doch darin mischte sich unbewusst auch das Gefühl, dass sie schön sei, die erregende Sehnsucht, mit der Gefahr zu spielen, sich sehen zu lassen und zugleich zu verweigern – Instinkt des rufenden und flüchtenden Weibs.
    So ihr Beschluss. Als sich aber ihre Schwestern lange nach Mitternacht verzogen und sie auf die Uhr blickte – sie zeigte halb eins –, schlug ihr Herz heftig, und sie erschrak. Sie zögerte ein wenig. Gern hätte sie alles rückgängig gemacht. Doch nun war es nicht mehr möglich. Vielleicht stand Bálint bereits wartend hinter dem Lattentor. Er würde beliebig lang warten, wenn nötig bis zur Morgendämmerung. Und je länger er warten müsste, umso unbändiger würde er sein, flüsterte ihr ein inneres Gefühl zu. Dennoch bedeutete es einen schweren Entschluss, aus dem Bett zu steigen und die Tür zum Salon zu öffnen, nachdem sie die einzige brennende Kerze hinter den kleinen Tisch neben dem Bett auf den Boden gestellt hatte. Hastig legte sie sich wieder zu Bett. Sie deckte sich bis zum Kinn zu und lauschte, ob er schon kam. Würde er das dämmrige Licht bemerken?
    Die Eingangstür beim Garten ging lautlos auf und dann wieder zu. Langsame, vorsichtige Schritte. Bálint stand in der Tür. Er schloss sie leise hinter sich. Er warf Mantel und Hut ab und näherte sich. Schon stand er da, neben ihrem Bett. Er küsste sie nur auf die Stirn – brüderlich.
    Adriennes Miene war drohend, fast feindselig. Doch allmählich wurde sie durch das zurückhaltende Benehmen des jungen Mannes milder gestimmt. »Was gibt es? Was ist geschehen?«, fragte Bálint. »Danke, dass Sie mich gerufen haben«, sagte er. Er sprach sehr leise und Adrienne ebenso. Sie berichtete über den Brief von Wickwitz, über ihre Besorgnis und die Verantwortung, die sie Judiths wegen trug. Sie habe niemanden, den sie um Rat bitten könne, niemanden, der sie benachrichtigen würde, wenn dieser Mann herkäme, keinen, der darauf achtgeben könnte, was außerhalb der Villa Uzdy vor sich gehe, der sie warnen würde, wann sie besonders auf der Hut sein müsse … Sie könne niemanden einweihen … Judiths Ruf habe man auch zu wahren … Sie fühle nichts als die eigene Ohnmacht …
    Sie trug all dies mit großer Sachlichkeit vor, als spräche sie in einem Anwaltsbüro und nicht in einem von Duft erfüllten, dunklen Schlafgemach. Vielleicht lag es an ihrem Flüsterton, dass Bálint den Stuhl am Fuß des Betts verließ, sich zuerst an den Bettrand setzte und sich später auf die Kissen neben Addys Kopf aufstützte. Die Wörter ließen sich auf solche Weise ganz lautlos aussprechen. Und Bálint übernahm wieder die Rolle des Tierbändigers, die er neulich auch im herbstlichen Wald gespielt hatte, er gab der Frau sachliche Antworten und willigte ein, dass er alles im Auge behalten, sie sofort benachrichtigen und auch versuchen werde, einen Plan zu ersinnen.
    Zugleich allerdings suchte er sicherzustellen, dass er auch bei anderer Gelegenheit – morgen und danach! – nachts zu ihr kommen könnte. In irgendeiner Nacht würde in Addy die Begierde doch erwachen, und selbst wenn sie nur wie ein Funke aufglühen sollte, der Augenblick reifte dennoch heran … Es traf sich gut, dass er in Portofino etwa sechzig Seiten des Werks schon geschrieben hatte, dessen Entwurf gerade so entstanden war, wie er jetzt Adrienne in den Armen hielt. Folglich lenkte er

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