Die Schrift in Flammen
Sporen militärisch zusammen und setzte sich bescheiden ans Tischende. Dort aber konnte er nicht verbleiben, weil Gyerőffy ihm schallend zurief: »Komm her zu mir, lieber Vetter, hierher, mir gegenüber!«
Egon Wickwitz verstand nicht, warum László ihn Vetter nannte, doch da es nicht ratsam ist, sich einem Betrunkenen zu widersetzen, erhob er sich und nahm den Stuhl ein, den ihm Gyerőffy anbot. Er setzte sich, stellte sich den Säbel zwischen die Knie und bestellte eine kleine Flasche Champagner.
»Warum eine kleine Flasche?«, fiel ihm László ins Wort. »Wozu wolltest du sparen? Wozu wollen wir sparen, wir beide? … Andere mögen sparsam sein und tun gut daran, aber wir beide, warum täten wir’s? Eine große Flasche her für meinen Vetter, für meinen Kollegen!«
Der Champagner wurde serviert. Die Musik erklang weiter, Onkel Ambrus meldete sich zwischendurch mit seinem Bass und gelegentlich mit einem Jauchzer. Nach drei bis vier Liedern spielten die Zigeuner eine frische Tanzweise. Man stieß mit den Gläsern überall an.
»Servus, ›Bikfic‹, mein vortrefflicher Kollege!«, hob László wieder an. »Stoß du nur mit mir an und nicht mit den anderen. Die anderen … mit denen steht es nicht so! … Aber wir beide, nur wir zwei gehören zusammen!« Der Inhalt des Gesagten war freundlich, aber der Ton und das nachfolgende spöttische Lachen waren es nicht, sie wirkten herausfordernd, fast feindselig. Ihre Gläser berührten sich, die beiden tranken einander zu. So ging es noch mehrmals. Gyerőffy wiederholte noch einige Male seine Sprüche, und Baron Egon, ein friedfertiger Mensch, duldete diese merkwürdig betonte »Kollegen«-Anrede mit der Ruhe eines großen Bullenbeißers. Er dachte sich nichts anderes, als dass Gyerőffy stockbetrunken sei und nicht wisse, was er rede.
Gyerőffy trank tatsächlich maßlos.
»Weißt du, warum du mein Kollege bist?«, fragte er zuletzt und beugte sich über den Tisch. »Weißt du das? Ich will es dir zuflüstern … Leih mir dein Ohr, hierher, ich sag es dir ins Ohr!« Wickwitz gehorchte. »Du bist mein Kollege«, flüsterte jener, »weil ich ein ebensolcher niederträchtiger Schurke bin wie du! Darum!«
Baron Egon lehnte sich im Stuhl überrascht zurück, doch dann winkte er mit der Hand ab: »Schon gut! Du hast sehr viel getrunken!«
»Nichts ›schon gut‹! So ist es!«, antwortete Gyerőffy nun schon laut. »So ist es! Du bist genauso ein Schurke! Doch, doch, ich weiß, du bist es auch, du auch!«
»Ich bitte dich, gib ein wenig acht«, sagte der Offizier immer noch ruhig, »ich kann es doch nicht dulden, zumal hier in der Öffentlichkeit, dass …«
»Worauf soll ich achtgeben? Was kannst du nicht dulden? Mach mir keine Faxen! Es ist, wie ich sage, auch du bist ein Schurke!«
Wickwitz durchfuhr es blitzartig: Daraus musste er eine Affäre machen, ach, wie ungelegen, das bringt weiteren Zeitverlust! Noch zögerte er, doch der andere setzte seine Reden immer lauter schreiend fort: »Ein einziges Wort: Blau! … Verstehst du? … Blau! Blau! Blau! Das ist es!« Und nun brüllte er bereits stehend: »Ich wie du, wir sind beide niederträchtige Schurken! Jawohl! Schurke! Schurke! Unverschämter Schurke!« Und dazu polterte er nun schon mit den Fäusten auf den Tisch. Seine Wut galt womöglich gar nicht Wickwitz, sondern sich selber, er hasste und geißelte sich, wollte sich zerschmettern und vernichten … Ein Glas vor ihm fiel um, ein Teller klirrte auf dem Boden. Lászlós Nachbarn ergriffen ihn und zogen ihn vom Tisch zurück. Jedermann sprang auf, jedermann beschwichtigte und redete.
»Mach hier keine Viechereien, zum Henker!«, brüllte Ambrus Kendy nun László an, und zum »Bikfic«, der sich auch erhoben hatte und mit seiner Rechten nach dem Griff seines Säbels tastete, schrie er hinüber: »Und du, sei doch kein Hornochs! Du siehst ja, dass er sternhagelvoll ist!« Onkel Ambrus meinte, auf solche Art geschickt Frieden zu stiften. Er hasste es, wenn man seine Vergnügungen störte.
Baron Egon vernahm Onkel Ambrus gar nicht, er hörte einzig László, der ihm gegenüber zwar torkelte, aber immer noch brüllte: »Blau! Schurke! Blau!« Bis dann seine Beine einknickten und er in die Arme von Ákos Alvinczy und dem kleinen Kamuthy sank. Wickwitz hörte und begriff allein, dass Gyerőffy über ihn alles bekannt war und dass man ihn folglich töten musste, dass man ihn gleich hier töten müsste, damit er zum Reden keine Gelegenheit bekam. Doch zwischen
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