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Die Schrift in Flammen

Titel: Die Schrift in Flammen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Miklós Bánffy
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Bedeutendes geschah. Dann aber griff das Schicksal, der größte Dramatiker, in die Ereignisse ein, es ergriff und zerbrach die arme Judith. Die Kette von Zufällen löste gemäß der inneren Logik des Lebens die Katastrophe aus. Wenn László in jener fatalen Nacht keine so gewaltige Summe verloren hätte, wenn es ihm möglich gewesen wäre, Frau Berédys Perlen früher auszulösen, wenn er sich nicht an denselben Wucherer gewandt und Herrn Blau mit seinem Benehmen nicht Angst eingejagt hätte, wenn Wickwitz zuerst auf Frau Lázár und dann auf die sächsische Millionärstochter nicht so viel Zeit vergeudet hätte; wenn Dinóra, und sei es auch nur mit einer Zeile, ihre Unterschrift anerkannt hätte, wenn es alle diese »Wenn« und noch viele weitere nicht gegeben hätte, dann wäre alles anders gekommen. Aber es kam so und konnte nicht anders kommen, denn der Einzelne wird durch seine seelischen Gaben, seine Neigungen und Mängel, seine Taten und Versäumnisse gelenkt. Der erste, scheinbar bedeutungslose Schritt führt uns auf dem fatalen Weg mit erbarmungsloser Konsequenz weiter, es gibt keinen Halt, bis das Schicksal hinter einer Kehre jäh zuschlägt, wie in den griechischen Tragödien.

    Großes Vergnügen mit Zigeunermusik im Speisesaal des Hotels. Mitternacht war schon lange vorbei, doch an einigen Tischen feierten städtische Leute weiter, die dem Wein zusprachen; auch Ökonomiestudenten an der Akademie von Monostor saßen in einer Ecke. Der berühmte Laji Pongrácz musizierte natürlich nicht für diese, sondern für die Leute am Haupttisch vor der Längswand, wo sich Onkel Ambrus und seine Garde niedergelassen hatten: die Alvinczy-Jungen, Jóska und Pityu Kendy, der kleine Kamuthy und als Gratisprofiteur natürlich auch der alte Dániel Kendy. Sie ließen die Musikanten aufspielen, bestellten Lieder, und manchmal fielen sie auch mit ihrem Gesang ein. Den anderen, die an den rundherum verstreuten Tischen becherten, ging dies gar nicht gegen den Strich, denn sie wussten, dass Laji zu solchen Stunden seiner Geige Töne entlockte wie sonst nie und dass das Zuhören jetzt umsonst war; das ließen sie sich gefallen. Wollten aber auch sie versuchen, in das Spiel einzugreifen, dann brächte Onkel Ambrus die Gewichtigsten der Zigeunerkapelle auf der Stelle in ein Sonderzimmer, und sie hätten weder Primas noch Zimbalspieler mehr; da könnten sie genauso gut gleich nach Hause gehen.
    Die Musik spielte also prächtig auf, ein Lied folgte dem anderen.
    Auch Gyerőffy saß dabei zwischen Ádám Alvinczy und dem kleinen, rundlichen Kamuthy. Er hatte schon viel getrunken, darum hielt er sich stocksteif.
    So standen die Dinge, als Wickwitz den Saal betrat. Er war mit dem Spätabend-Schnellzug aus Kronstadt eingetroffen. Er trug Uniform. Eine lange Reise lag hinter ihm, während welcher sich die Sorgen wegen seiner bedenklichen Lage immer gebieterischer gemeldet und ihn in Beschlag genommen hatten. Ekelhaft! Dinóra, aufgescheucht durch Blaus Mahnungen, die sie nicht verstand – »die dumme Gans!« –, hatte ihn in vielen Briefen um Aufklärung gebeten. Und Blau, »dieses Aas«, schlug immer bedrohlichere Töne an. Dazu kam noch der Oberst – »so ein Kerl!« –, der seine Beurlaubung verzögerte, gerade jetzt, da ihm der Boden unter den Füßen brannte! Ekelhaft! All die Lügerei für Dinóra und die Kritzeleien für Blau! Und die ständige Angst, die Geschichte könnte platzen und ans Tageslicht kommen, bevor er seinen Urlaub antrat und mit Judith über alle Berge war. Die Familie Milóth würde dann ihrer Tochter zuliebe diese abscheuliche Angelegenheit bestimmt irgendwie in Ordnung bringen. In den letzten Tagen war er sich schon wie ein von Treibern umzingeltes Wild vorgekommen, das keinen Fluchtweg mehr sieht. Selbst seine Nerven, wiewohl stark wie Schiffstaue, wurden durch all dies in Mitleidenschaft gezogen. Er sagte sich darum, er wolle sich eine Stunde mit Zigeunermusik gönnen; das eine oder andere Glas Champagner werde auch guttun, man sehe die Welt hernach gleich in besserem Licht. Morgen aber wird er Judith benachrichtigen und übermorgen in der Frühe … Start! Weg nach Österreich. Anderthalb Tage! Während dieser Zeit würde wohl kein Unglück geschehen, er hatte ja vor der Abreise nach Nagyvárad berichtet, dass er innerhalb von zwei Wochen alles regeln werde … In zwei Wochen? Aber ja! Dann wird er bereits Herr der Lage sein!
    Als er Onkel Ambrus und seine Begleiter vorfand, schlug er die Hacken und

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