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Die Schrift in Flammen

Titel: Die Schrift in Flammen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Miklós Bánffy
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würden. Manch einer bedachte vielleicht gar, dass die ganze Richtung, die wegen vereinzelter Militärerrungenschaften und staatsrechtlicher Erneuerungen das Land zum König in Gegensatz gebracht hatte, eine verfehlte Politik gewesen war.

    Auch László Gyerőffy reiste am frühen Nachmittag mit dem Schnellzug. Natürlich begrüßten sie einander und saßen in einem Abteil zusammen, die frühere Wärme zwischen ihnen beiden schien aber irgendwie zu fehlen. »Fährst du heim nach Kozárd?«, fragte Bálint.
    »Nein. In Nagyvárad steige ich aus.« Trocken ausweichend sagte er auf die Frage seines Cousins: »Ich habe dort zu tun.« Und er blickte zum Fenster hinaus.
    Sie schwiegen eine gute Weile. László dachte vielleicht an die Begebenheiten der laufenden Faschingszeit. Bis jetzt war er wieder Vortänzer gewesen. Seine gesellschaftliche Stellung hatte sich äußerlich nicht verändert, der erzherzogliche Ball schien vielmehr der Höhepunkt seiner Erfolge in der mondänen Sphäre zu sein: Er saß beim Nachtmahl am Tisch des bulgarischen Zaren, den Tanz eröffnete er mit der Zarin, er bewegte sich unter lauter Hoheiten und Majestäten. Dabei spürte er damals schon, dass seine Position in der Pester Gesellschaft erschüttert war. Kein Wunder. Das Amt des Vortänzers interessierte ihn dieses Jahr nicht mehr richtig. Er verwaltete es nachlässig. Während der Picknick-Bälle im Casino verschwand er, manchmal auch für eine ganze Stunde, er ging hinauf ins Kartenzimmer, um zu spielen, und einige Male kam er angetrunken zurück und dazu zornig, weil sein Gehilfe ihm nachgegangen war, um ihn zu holen. Er sah selber ein, dass er Fehler gemacht hatte. Dennoch nahm er es sich zu Herzen, dass vor drei Tagen eine Mutter, die einen Hausball gab, nicht ihn, sondern Niki Kollonich und Gyuri Wárday, Imres jüngeren Bruder, mit der Organisation betraut hatte. Darauf schmiss er alles hin und erklärte, dass er nach Siebenbürgen reisen müsse. Deshalb saß er jetzt im Zug.
    Es traf sich, dachte er, ohnehin gut, dass er der Bindungen nun ledig war. Die Sache mit Fannys Perlen durfte er nicht mehr vor sich herschieben. Er musste sich Geld besorgen und sie auslösen; die Schande war nicht länger zu ertragen, dass er sich dank des Geldes einer Frau über Wasser hielt.
    Wie sie da stumm im Abteil saßen, beobachtete Bálint Lászlós Gesicht. Es war verhärmt, mit einem bitteren Zug um die Lippen und mit tiefen, sich nie glättenden Runzeln um die zusammengewachsenen Brauen. Seine Augen wirkten wässrig und entzündet. Gewiss spielt er immer noch viel, dachte Bálint. Jetzt aber würde er ihn ordentlich ermahnen. Taktvoll schnitt er das Thema an. László zuckte nur leicht die Achseln und antwortete fast grob. Abády, darüber verärgert, wurde nun schon grausam. Zuletzt schleuderte er ihm zornig ins Gesicht: »Du Wahnsinniger, wenn du so weitermachst, wirst du zugrunde gehen und verkommen!«
    Gyerőffy stand auf; der bittere Zug um seinen Mund hatte sich zu einem Graben vertieft. »Ich bin bereits zugrunde gegangen und verkommen«, sagte er ohne Betonung und verließ das Abteil.
    Bis Nagyvárad kehrte er nicht mehr zurück. Dort angekommen, trat er, während seine Reisetasche hinuntergetragen wurde, zu seinem Vetter.
    »Ich danke dir, dass du dich für mein Schicksal, wie es scheint, noch interessierst. Aber kümmere dich nicht mehr um mich. Um mich sollst du dich nicht kümmern. Ich bin ein verlorener Mensch.«
    Bálint vermochte gar nichts zu antworten, denn László hatte sich bereits eilig verzogen.

    Nach der Ankunft in Klausenburg am späten Abend wurde Bálint in seiner Wohnung an der Farkas-Straße von ein paar Zeilen erwartet, die Adrienne auf Englisch geschrieben hatte: »Kommen Sie morgen um halb fünf zum Tee. Uneingeladen. Wir werden mehrere Personen sein. Das Übrige lasse ich Sie dort wissen.« »Uneingeladen« hatte sie unterstrichen.
    Fünf Uhr am nächsten Tag. In Adriennes Großem Salon hatten sich junge Herren ziemlich zahlreich eingefunden, sie bildeten Kreise um einzelne Frauen. Judith bei der Eckgarnitur hatte etwa drei um sich. Margit stand auf der anderen Seite mit zwei Stück Alvinczy. Auch die beiden Laczók-Mädchen waren da und unterhielten sich mit anderen. Adrienne saß neben dem Kamin, doch nicht auf den vertrauten Kissen auf dem Teppich, sondern in einem Lehnstuhl zwischen Ádám Alvinczy und Pityu Kendy, ebenso wie die beiden Männer. Bálint schloss sich ihnen als Vierter an. Er wurde natürlich nach

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