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Die Schrift in Flammen

Titel: Die Schrift in Flammen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Miklós Bánffy
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verständnisvoll. Sachlich. Ja! Man muss ihr helfen! – Darum, so schien ihm, musste er noch am gleichen Nachmittag zu den Milóths hinüber.
    Er belog sich selber, indem er sich sagte, er habe den Beschluss erst jetzt gefasst. Dabei hatte er sich schon am Vormittag nach dem Weg erkundigt. Man musste hinaus zur Landstraße von Szentpéter, dann links abbiegen, bei der Mühle wieder links, den See entlang ins Tal. Eine recht lange Wegstrecke, obwohl Lélbánya von Varjas nur durch einen Bergrücken getrennt wird und man die Distanz zu Fuß, wenn man sich sputet, in einer knappen halben Stunde schafft; mit dem Wagen dagegen hat man einen langen Umweg zu fahren. So ist das nun einmal auf der Siebenbürger Heide.

    Die zwei Braunen von Dénestornya mit ihren glänzenden Mähnen trabten auf der ausgefahrenen, griffigen Landstraße fröhlich dahin. Rechter Hand lag noch immer der von Riedland umfasste See, doch weit vorne wurde das Dorf schon sichtbar: schilfbedeckte, ungeordnet verstreute Häuser. Zwischen den Ästen der Zwetschgenbäume rechter Hand erblickte man den auf einem Block stehenden Turm der rumänisch-orthodoxen Kirche, dünn wie ein Zahnstocher, und auf der anderen Seite, am Abhang über dem Dorf, zeichnete sich der Garten der Milóths ab. Das Bild wurde von sanft geschwungenen Hügelwellen abgeschlossen, hinter welchen die Sonne gerade Abschied nahm.
    Man musste noch einen weiteren Umweg fahren rund um den See, der mit einem Arm in die Talsenke hineinreichte. Links vom Gespann zog sich ein Akazienhain – die Grenze des Milóth-Guts – in gerader Linie den Berghang hinauf. Dicht nebeneinander stehende, junge Akazien, welche die Aussicht ganz verdeckten. Pferdegetrappel ertönte gerade im Augenblick, als Bálint zu der Stelle kam.
    Fünf Reiter auf ungesattelten Pferden stürmten aus dem Dickicht hervor. Fünf schwarz vermummte, schreckliche Wegelagerer. Pferdediebe gewiss; zwei Pferde, noch im Geschirr, hatten sie bestimmt soeben gestohlen. Alle waren verschieden gekleidet, sie trugen die unterschiedlichsten Gewänder: der Anführer einen Turban, die anderen Burenhüte, Pelzmützen, einen türkischen Fez, auf dem Leib einen Bauernpelz, einen Schlafrock oder einen zerfetzten Überwurf mit Gummikragen. Ein greulicher Anblick! Etwas seltsam freilich wirkte, dass unter der furchterregenden Hülle bei dreien der Räuber seidenbestrumpfte Waden und Schuhe mit hohem Absatz am Schulterblatt des Pferdes lagen. So kamen sie also hinabgerast vor das Gespann und riefen mit entsetzlicher Stimme, wiewohl eher im Sopran: »Dein Geld oder dein Leben!« Der hinterste Maskierte – dieser eine war bestimmt ein Mann – blies unterdessen gewaltig in ein Jagdhorn.
    Die beiden an der Spitze sprangen vom Pferd. »Her mit dem Geld!« Und sie drohten Bálint mit dem Tod. Derjenige, der einen Turban trug, fuchtelte mit einem Besenstiel als Lanze, der andere, den Burenhut auf dem Kopf, schwang eine Weinheber-Keule. Doch währte der Ernst im Spiel nicht lange, denn Bálint kniete in der Mitte der Kalesche nieder und flehte mit gefalteten Händen um Gnade, da doch jeder Widerstand vergeblich sei!
    Triumphales Gelächter begleitete den Sieg der Räuber. Und die Papiermasken fielen. Der mit einer Lanze bewaffnete Turbanträger war Adrienne, und der Recke, der die Keule schwang, ihr Bruder, der kleine Zoltán, ein Gymnasiast. Die beiden jüngeren Schwestern, Judith und Margit, die nicht abgestiegen waren, lachten so, dass sie fast vom Pferd fielen. Und alle riefen nun wild durcheinander: »Wir haben es erfahren! Der Speicheraufseher hat es uns erzählt! Gelt, jetzt sind Sie erschrocken? Der Mann war in Lélbánya! Wir lauern Ihnen schon seit langem auf! Gerade bei ihm hatten Sie sich nach dem Weg erkundigt! Warum kommen Sie so spät? Sie bleiben da, nicht wahr? Großartig!«
    Doch bei all dem munteren Gerede hatten sie auf Adriennes Pferd nicht achtgegeben. Dieses – in seinem Alltagsleben ein Zugtier, das man erst kurz zuvor vor einer Egge im Feld ausgeschirrt hatte – war inzwischen losgezogen und strebte friedlich dem Stall zu. Erst ging es im Schritt, dann fiel es in Trab. Es war schon etwa fünfzig Meter vorangekommen, als man die Flucht entdeckte. Hei! Eine neue Gelegenheit zu einer aufregenden Verfolgungsjagd!
    Wickwitz, etwas weiter zurückgeblieben – er war es, der das Horn geblasen hatte –, setzte dem Flüchtling nach. Die anderen folgten. Addy sprang auf Bálints Halbdachwagen und bedrängte den Kutscher: »Dem Pferd

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