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Die Schrift in Flammen

Titel: Die Schrift in Flammen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Miklós Bánffy
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nach! Schneller! Schneller!« Und während sie sich nach vorne beugte, trommelte sie mit der Hand passioniert auf den Rand des Kutschbocks.
    Der aus einem Tuch gedrehte Turban hatte sich gelöst, und auch ihr gelocktes schwarzes Haar, dicht, doch nur einige Spannen lang, flatterte wie eine dunkle Mähne. So, mit dem offenen, lachenden Mund, den weit aufgerissenen Augen, dem vorgeschobenen, ein wenig schmalen Kinn und den kurzen Haaren, die ihr der Wind aus der Stirn gestrichen hatte, wirkte ihr Gesicht beinahe knabenhaft.
    Die Erregung der Verfolgungsjagd erfüllte ihr ganzes Wesen. Sie achtete weder auf die in Unordnung geratenen Haare noch darauf, dass sich die Bluse auf ihrer Schulter zurückschob und ihr Rock sich beim Sprung in den Wagen am Knie verhängt hatte. Die aufreizende Verfolgung nahm sie ganz in Anspruch.
    Bálint betrachtete sie mit Neugier. Wie schön sie war. Und wie anders, wie leidenschaftlich lebendig. Sie offenbarte sich ihm in neuer Gestalt. Nichts gab es jetzt in ihr von jener Addy, die zwei Tage zuvor neben ihm auf der dunklen Terrasse in ihrer einsilbigen, von Enttäuschung gezeichneten Rede immer wieder verstummt war, nichts von der Frau, zu der er, nach Weltproblemen forschend, leise und lange gesprochen hatte. Neben ihm saß nun eine junge Amazone auf der Jagd, die sich seltbstvergessen, mit ihrer ganzen Lebenskraft und allen Fasern dieser scherzhaft spielerischen Hetze hingab und einzig daran dachte, dass man das fliehende Pferd einfangen müsse.
    Und das Tempo steigerte sich ständig. Das brave Zugpferd wunderte sich zuerst, dass es frei laufen durfte und sich allein auf dem Weg befand. Das jagte ihm bereits ein wenig Angst ein. Viel mehr erschrak es aber, als die Leute hinter ihm plötzlich Rufe ausstießen und sich stampfend näherten. So begann es zu galoppieren. Der hinuntergeglittene Strang schlug ihm gegen die Schenkel. Das jagte ihm noch mehr Furcht ein. Es glaubte, jemand versetze ihm Schläge. So warf es den Kopf hoch und fiel in einen gestreckten Galopp, wie ihn bei diesem dickbauchigen, alten Pferd niemand für möglich gehalten hätte. Es wurde denn auch nicht eingeholt.
    Vorn rannte schrecklich wiehernd das Zugpferd, ihm folgten die vier maskierten Reiter, zuletzt in schnellstem Trab das Gespann von Dénestornya – und so rasten sie dem Dorf zu. Dort ging es eine steile, lehmige Strecke hinauf, wo das Zugpferd seitwärts in ein Hoftor bog und durch die Tür geradewegs in den Stall hineinlief. Ein Glück, dass es sich an der Brust nicht verletzt hatte.
    Alle stiegen ab und eilten zum Stall. Doch es gab keinen Grund zur Aufregung. Das Pferd war gleich in seinen Stand gelaufen und hatte sich, als man es fand, auch schon etwas beruhigt. Es schnaubte nur einige Male in die Richtung der Leute und wandte sich dann dem wohlschmeckenden Luzernenfutter zu.
    Sie gingen zu Fuß durch den Meierhof und die Gartentür zum Herrenhaus hinauf. Die weiße Hausmauer schimmerte kaum sichtbar hinter den dicht stehenden Ulmen, als sie lautes Geschimpfe vernahmen. Die anderen schritten ruhig weiter, doch Bálint merkte auf.
    Zoltánka beruhigte ihn: »Oh! Es ist bloß Papa, der da schreit.«
    Selbst er machte sich offenbar nichts daraus. Als sie sich der von Wildtrauben bewachsenen, langen Veranda näherten, erblickten sie Herrn Ákos Milóth oben auf der Treppe. Er war ein untersetzter, breiter und ergrauter Mann mit gewaltigem Schnurrbart und gewaltigem Mund. Nun verstand man auch, was er schrie: »Eine solche Schweinerei! Die Zugpferde ausspannen! Sie zu Krüppeln machen! Wie habt ihr gewagt, so was zu tun? Wer hat das gewagt? Schweinerei!«
    »Und meine Pelzmütze! Mein Regenmantel! Mein Schlafrock! Gestohlen habt ihr sie! Himmel sakra! Wartet, ich werde euch Respekt beibringen!« Und dergleichen mehr, was zu notieren sich nicht lohnt, da es doch nur Wiederholungen wären.
    Die Töchter und Zoltánka kümmerten sich nicht im Geringsten um die Drohungen ihres Vaters. Sie gingen in aller Ruhe auf ihn zu. »Zakata« – sein Spitzname, den man in Siebenbürgen überall kannte 4 – war, als sie die Veranda erreichten, immer noch dabei, mit der Stimme einer Rohrdommel herumzudröhnen und mit den Händen empört zu fuchteln. Adrienne benutzte eine Atempause für eine Zwischenbemerkung: »Schauen Sie, lieber Vater, BA ist da.«
    »Servus, lieber Freund!«, brüllte Papa Milóth, und sein riesiger Mund wechselte übergangslos vom tödlichen Zorn zum breitesten Lächeln. Er eilte zu Abády hinunter

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