Die Schrift in Flammen
rundliche Form. Doch während bei Frau Laczók der pralle Leib mit lauter Gutmütigkeit gefüllt zu sein schien, machte bei Frau Milóth auch die Beleibtheit den Eindruck von Verstimmtheit. Vielleicht lag es daran, dass sie zu Kopfweh, zur Migräne neigte und tagelang untätig im verdunkelten Zimmer saß, während die Schwester stets das Muster der vielbeschäftigten Hausfrau war.
»Du machst auch die da verrückt, wenn du da bist.«
»Elle les rend folles quand elle est ici!«, fügte sie gegenüber Mademoiselle Morin, dem alten, kränklich hüstelnden französischen Fräulein, hinzu, die neben ihr auf dem Kanapee saß, und sie zeigte auf ihre Töchter.
Mademoiselle Morin war einst die Erzieherin der Schwestern Kendy gewesen, und nachdem sie geheiratet hatten, blieb sie in Siebenbürgen. Nun befasste sie sich, inzwischen freilich sehr gebrechlich geworden, mit der Erziehung der Milóth-Mädchen, der nächsten Generation.
»Oh, mon Dieu! Oh, ces enfants!«, erwiderte klagend die alte Französin. Judith und Margitka konnten in der Tat kaum erwarten, dass der Gast die Jause beendete.
Adrienne antwortete weder der Mutter noch dem alten Fräulein, sondern wandte sich zur Erklärung an Bálint. Ihre Augen glänzten vor Spannung und Erwartung: »Im Gemüsegarten geht um diese Zeit ein Igel um. Wir wollen ihn fangen!«
Die Mutter winkte verächtlich ab mit einer ihrer Stricknadeln, die sie vor ihren kurzsichtigen Augen gerade ausgewechselt hatte. Bálint indessen schlürfte den Tee aus, und sie verließen das Haus.
Eilig durchquerten sie den Garten. Bei den Obstbäumen verlangsamten sie ihre Schritte und setzten den Weg vorsichtiger fort, um den Igel nicht zu erschrecken. Als sie beim Gemüsegarten anlangten, kauerten sie beim Pfad nieder, der sich zwischen dem Kohl- und dem Kartoffelbeet hinzog; sie verharrten neben Johannisbeer- und Stachelbeersträuchern und in der Deckung eines riesengroß gewachsenen Wolfskrauts.
Das Gras fühlte sich feucht und kalt an. Doch niemand scherte sich darum, auch die Frauen nicht. Dabei war unter ihnen Adrienne die Einzige, deren robuster Gesundheit nichts schaden konnte. Die jüngeren Schwestern, die ihr zwar glichen, jedoch kleiner und zarter waren, würden sich hier zumindest eine tüchtige Erkältung holen. Doch darum sorgten sie sich nicht, denn sie eiferten immer und in allem der älteren Schwester nach. Manchmal bezahlten sie denn auch dafür. Judith hatte sich einmal bei einer Narrheit beim Reiten wie an diesem Nachmittag den Arm verrenkt. Margit wiederum waren einige Jahre zuvor die Füße erfroren, nachdem Adrienne in jenem Winter verkündet hatte, es sei sinnlos, Schneeschuhe und dicke Strümpfe zu tragen, und auch beim schlimmsten Schneewetter mit offenen Schuhen und spinnwebdünnen Strümpfen herumging. All das machte die Mädchen allerdings nicht vernünftiger, sie folgten weiterhin nur dem Beispiel und den Weisungen der Schwester, ahmten ihre Worte und Ansichten, ja sogar ihre Gesten nach und taten dies jetzt noch getreuer denn je. Denn Adrienne war nun eine verheiratete Frau und so womöglich eine noch größere Autorität als zuvor in ihrer Mädchenzeit. Die Mutter war darüber sehr verärgert. Sie schimpfte viel und suchte die Töchter mit scharfen Bemerkungen, ja hin und wieder, wenn ihr der Kopf nicht wehtat, sogar mit Ohrfeigen zu korrigieren. Das alles war aber vergebliche Mühe, sie liefen doch nur hinter Adrienne her.
Sie warteten, warteten sehr lange.
Süßlicher Rauchgeruch stieg aus dem Dorf in der Tiefe zu ihnen auf, charakteristisch für den Abend auf der Siebenbürger Heide, wo es an Holz mangelt und man deshalb mit getrocknetem Kuhmist heizt. Es ist ein merkwürdiger, nicht unangenehmer Geruch, der an Bisam erinnert; vereint mit dem Dunst der feuchten Täler, pflegt er wie Nebel über den Dörfern zu schweben.
Adrienne war rechts, Abády links vom überwucherten Pfad niedergekniet. Er begleitete die Frauen, doch seine gute Laune war dahin. Jetzt, beim wortlosen Warten, überfielen ihn die Gedanken, die er bisher unbewusst, verborgen in sich getragen hatte: Was sucht der »Bikfic« hier? Fährt er von seiner Geliebten, der kleinen Frau Abonyi, hierher, legt er Tag für Tag die zwanzig Kilometer lange Strecke nur um des Tennisspiels willen zurück? Aber freilich! Und sein Instinkt sagte ihm, dass dies nur ein Vorwand sei, hinter dem eine Absicht, eine böse Absicht stecken müsse.
Der Instinkt hatte recht. Bálint irrte aber in der Annahme, dass der
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