Die Schrift in Flammen
Jópáls Geschrei, und je weiter er sich entfernte, umso gröbere Worte schickte ihm der andere nach.
Das dürfte man eigentlich nicht hinnehmen! Er beschloss, Sekundanten zu suchen und Satisfaktion zu verlangen. Doch auch dieser Gedanke zeigte ihm wieder die Seltsamkeit des Falles. Auch das wäre eine Dummheit. Sich mit diesem Gelehrten zu schlagen, der noch nie im Leben einen Degen in der Hand hatte! Den zum Duell fordern, dem er hatte helfen wollen? Selbst seine Sekundanten würden sich über ihn lustig machen.
Das Klügste war, die Sache nicht ernst, sie nicht zur Kenntnis zu nehmen. Er beschleunigte seine Schritte. Er hatte den höchsten Punkt des Hügels bald schon hinter sich. Doch selbst auf dem Weg hinab ärgerte er sich noch immer über diese misslungene Samaritertat.
V.
Abády und László Gyerőffy fuhren am frühen Morgen von Vásárhely ab. Doch während der Letztere über Klausenburg an seine am Szamos liegenden Güter reiste, stieg Bálint bereits in Marosludas aus dem Zug. Am Nachmittag zuvor hatte er seiner Mutter ein Telegramm geschickt: »Für einige Tage von hier aus in den Wahlkreis. Bitte um ein Gespann nach Ludas zum Morgenzug. BA.«
Einige Tage? Eigentlich hatte er in Lélbánya nichts Wichtiges zu tun. Warum hatte er im Telegramm »einige Tage« geschrieben? Er hatte es nur so hingekritzelt, damit die Mutter ihn nicht schon demnächst erwarten sollte. Und damit bei der Festlegung der Heimkehr auch er nicht gebunden sei. So erklärte er sich die beiden Wörter. Die Erklärung wirkte ein wenig gezwungen. Gleiches galt für den Vorsatz, in Lélbánya mit den Vorbereitungen zur Gründung einer Genossenschaft zu beginnen, wie er es schon bei seinem ersten Besuch im Städtchen geplant hatte. Den Einwohnern brächte das eine bedeutende Hilfe. Man müsste es nun ins Werk setzen, es mit den Leuten besprechen. Auch über ein Kulturhaus sollte man verhandeln. Schöne, segensreiche Einrichtungen. Er hegte in der Tat die Absicht, sie zu verwirklichen, denn er wollte der Stadt als Abgeordneter Nutzen bringen. Innerlich, nicht eingestanden, wusste er aber sehr wohl, dass er die Wörter »einige Tage« nicht deswegen hingeschrieben hatte. Er war sich darüber im Klaren, dass er an einem Werktag mitten in der herbstlichen Erntezeit nur auf einige Bürgersleute stoßen würde. Für diese reicht ein Nachmittag, man braucht nicht »einige Tage«. Er wusste, dass er von Lélbánya in das benachbarte Mezővarjas zu den Milóths hinüberfahren würde. Und dass er den Abstecher darum unternehmen wollte, weil Adrienne gesagt hatte: »Ich verbringe zwei Wochen dort.« Eine Einladung war das nicht gewesen. Trotzdem, da sie es schon einmal gesagt hatte …
Er machte sich weiterhin etwas vor. Er suchte den Bürgermeister in der Stadt und die zwei Geistlichen auf. Schön und überzeugend setzte er ihnen seine Pläne auseinander. Eines seiner Talente bestand darin, dass ihm bei der Darlegung jedes beliebigen Themas gleich alle Argumente und Einzelheiten einfielen, als befasste er sich tagaus, tagein mit nichts anderem.
Doch schon im Gasthaus, wo er später allein zu Mittag aß, suchte er vergeblich über Fragen der Genossenschaft und des Kulturhauses nachzudenken. Deren Bild war in seinem Bewusstsein völlig verwischt, und etwas ganz anderes beschäftigte ihn gegen seinen Willen. Was belastet Adrienne? Was für eine Enttäuschung hat sie erlebt? Sie hat diesen Pál Uzdy aus eigenem Entschluss geheiratet, ihn sich erwählt. Sie ist von niemandem gezwungen worden. Gewiss hatte sie sich in ihn verliebt und wurde darum seine Frau. Welchen Grund auch sonst hätte sie haben können? Doch wenn es so war, warum, warum denn? Warum die unterschwellige Auflehnung, die er bei ihr gespürt hat? Die Bitterkeit in ihrer Stimme. Ob ihr Mann sie wohl roh behandelt? Ob er sie geschlagen hat? Dieser Kerl mit der Satansvisage wäre dazu imstande. Und seine Hand auf dem Tischtuch ballte sich unwillkürlich zur Faust.
Und ihre mädchenhafte Erscheinung! Sie wirkt so gar nicht frauenhaft. Und die übertrieben schamhafte Geste dort auf der Terrasse, als sie ihren Shawl um die bloßen Arme wickelte. Ungewohnt auch dies für eine verheiratete Frau. Etwas muss sie plagen. Etwas, was man in Erfahrung bringen sollte. Dann könnte er dagegen ein Heilmittel finden, er könnte helfen. Vielleicht würde Adrienne ihm gegenüber darüber reden, und sie ließe sich von ihm beruhigen. Er könnte ihr Ratschläge geben. Als guter Freund. Selbstlos,
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