Die Schrift in Flammen
hatte, um Frau Montorio, einer geborenen Bourbon-Modena, die eigene Gleichrangigkeit in der Wiener Gesellschaft zu beweisen, und zwar auch gegenüber dem »Olymp«, wie man dort den höchsten, beinahe schon erlauchten Kreis nannte, dem nur – und nicht einmal alle – Familien aus der Abteilung II des Gotha-Hofkalenders angehörten. Das Gartenfest hatte viel gekostet; man musste die seit der Zeit von Großmutter Sina nie mehr geöffneten Empfangsräume des Palais überholen, das Parkett in Ordnung bringen, eine bequemere, modernere Ausstattung anschaffen, überall im Garten elektrische Beleuchtung montieren und Unmengen von Blumen besorgen, damit alles großartig und vollkommen werde. Doch ihr taten die Ausgaben nicht leid, obwohl ihr Mann – der brave Louis Kollonich, wie man ihn in Wien nannte – deswegen wohl ein wenig knurrte. Fürstin Ágnes trauerte der beträchtlichen Summe nicht nach, denn ihre Position hatte sich offenkundig verbessert, und die Damen des »Olymp« setzten im Gespräch mit ihr nicht mehr eine so hochmütige Miene auf. Und nach dem Abendempfang im Schlossgarten brachte Mama Montorio die Heirat ihres Sohns mit Klára selber zur Sprache.
Seither korrespondierten sie eifrig. Sie lobten die Heiratskandidaten wechselseitig, und was das Materielle betraf, so ließ Fürstin Kollonich Frau Montorio wissen, dass Klára vonseiten ihrer verstorbenen Mutter zwar kaum etwas besitze, der brave Louis aber eine gewichtige Mitgift vorsehe und den ihr gesetzlich zustehenden Teil gleich bei der Eheschließung herausgeben werde. Dies wurde aber selbstverständlich nur durch die vermittelnde Freundin mitgeteilt, denn Geldfragen – da sei Gott vor! – erwähnten sie voreinander niemals direkt; die Briefe, die sie kritzelten, sprachen nur über den Charakter, über die Güte, die vornehme Erziehung, die Gesundheit, die Liebe und die Schönheit. So kam die Einigung zustande. Und der Principe, an sich gar kein Jägersmann, wurde als Folge dieser Einigung nach Simonvásár zur Fasanenjagd eingeladen. Mit ihm ging die Sache in Ordnung, er stand zur Verlobung – wenn es sein sollte, gleich – bereit.
Und was geschah? Klára beschäftigte sich nicht mit dem jungen Montorio! Demonstrativ beschäftigte sie sich mit ihm nicht. Den ganzen Tag hatte sie ihn bei seinem Stand nicht aufgesucht. Dabei hatte Fürstin Ágnes ihrer Stieftochter sehr klar erklärt, dass dieser nette junge Mann seinen Besuch ihretwegen mache. Außer dem Principe schloss sich das Mädchen allen an. Und das konnte alles, alles verderben!
Sollte das so weitergehen, würde der ausersehene Bräutigam am Ende mit dem Eindruck abreisen, dass er dem Mädchen nicht gefalle. Mit seinem vornehmen Namen, seinem Vermögen und gewinnenden Äußeren würde er leicht eine andere Braut finden. Und dann wäre es aus, ganz aus mit dem schönen Plan. Deshalb hatte sie Klára zu sich bestellt. Man musste sie ermahnen, solange dazu noch Zeit war. Sie würde vor ihr auch jetzt nicht aufdecken, wie vollständig man schon alles vorbereitet hatte. (Die Mädchen mögen so etwas nicht. Nein, es soll dabei auch ein bisschen Romantik geben!) Doch man musste ihr sagen, welcher Leichtsinn es wäre, sich einen in jeder Hinsicht so ausgezeichneten Gatten entgehen zu lassen. Und hierin hatte Fürstin Ágnes recht. Etwas anderes als Gutes, Passendes und Vorzügliches hätte sie doch Klára nie gewünscht, da sie ihr ebenso lieb war wie ein eigenes Kind. Gerade deswegen musste sie unbedingt auftreten.
Die Tür ging auf. Klára trat herein – frisch gewaschen, duftend und rosig, in einem ausgeschnittenen Kleid.
»Bitte sehr, Mama«, sagte sie und setzte sich auf den Stuhl ihr gegenüber.
Auch sie hing sehr an der Stiefmutter. Die bei ihrer Geburt verstorbene eigene Mutter hatte sie nie gekannt. Bei der zweiten Heirat des Vaters war sie noch nicht zweijährig gewesen, und diese schöne, brünette Frau galt selbst in ihren ältesten Erinnerungen als die Mutter. Sie war auf Autorität zwar sehr bedacht, aber sie ließ es ihr gegenüber an Güte und Herzlichkeit nie fehlen, ja sie mochte sogar etwas nachsichtiger sein als im Umgang mit ihren eigenen Kindern.
»Meine Liebe!« Das war der übliche Auftakt, wenn Fürstin Ágnes zürnte. »Meine Liebe! Warum vernachlässigst du Montorio? Doch, doch. Es ist so. Du bist ihm heute den ganzen Nachmittag aus dem Weg gegangen.«
»Ich bin ihm nicht aus dem Weg, Mama, nur zufällig … wirklich. Ich weiß gar nicht, ob ich beim Stand mit
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