Die Schrift in Flammen
ihm zusammen war oder nicht.«
Nun zögerte sie ein wenig, und unter der Last des auf sie gerichteten strengen Blicks widerlegte sie sich bereits in der Fortsetzung: »Bei Tafel bin ich ohnehin seine Nachbarin, ich dachte, das genüge vollauf …«
»Du bist seine Nachbarin, weil ich es so arrangiert habe. Ich tat es, obwohl dein Onkel Antal mir das sogar übelnehmen könnte, denn eigentlich würde der Platz Magda gehören und nicht dem Fräulein des Hauses. Montorio weiß das natürlich auch, und es wiegt darum umso schwerer, dass du seine Gesellschaft nicht suchst, dass du dich aus eigenem Antrieb mit ihm nicht befasst. Tatsache ist, dass du ihm bei der Jagd demonstrativ aus dem Weg gegangen bist.« Hier schaltete sie eine kleine Pause ein, dann fuhr sie fort: »Jawohl, demonstrativ. Mit jedem hast du dich abgegeben, mit jedem. Sogar mit Laci! Wirklich absurd! Selbst bei Laci warst du beim zweimaligen Treiben, wo doch Montorio dessen Nachbar war. Ist eine klarere Demonstration, eine offenkundigere Beleidigung vorstellbar? Und du hast ausgerechnet den Mann geringschätzig behandelt, der deinetwegen hergekommen ist und deinen Vater deinetwegen um eine Einladung gebeten hatte.«
Die meergrauen Augen des Mädchens verdunkelten sich ein wenig.
Niki, der gemeine Kerl! Bestimmt hat er spioniert, dachte sie. Ihr zugefügte, in die Kindheit zurückreichende Kränkungen wurden in ihrer Erinnerung lebendig. Dieser Wicht hatte den Erzieherinnen und der Stiefmutter schon damals alles hinterbracht. Die alten Verletzungen vermischten sich mit dem heutigen Fall, und ihre Stimme verhärtete sich.
»Jeden meiner Schritte …« Doch hier blieb sie stecken. Die hernach folgenden Worte – »spionierst du aus« – wagte sie nicht mehr auszusprechen. Sie fuhr deshalb anders fort: »Jeden meiner Schritte kann ich nicht dermaßen durchdenken.«
Während Klára zögerte, schienen sich für einen Augenblick Gewitterwolken zwischen ihnen aufzutürmen. Das Ende des Satzes zerstreute sie aber wieder.
Fürstin Ágnes erwiderte trocken: »Deshalb ist es notwendig, dass ich auch an deiner Stelle denke.«
Doch nun änderte sie den Ton. Genug der Strenge. So viel war nötig. Das Mädchen sollte erkennen, dass ihre Stiefmutter sich nicht für dumm verkaufen ließ. Von da an begann sie sachlich, gütig zu sprechen. Sie setzte auseinander, welch wünschenswerte Wahl Montorio wäre. Sie erläuterte im Einzelnen, dass er ein anständiger Mann sei, kein Zecher, kein Spieler; seine ausgedehnte Forstwirtschaft in Krain verwalte er selber, er habe eine schöne Position in Wien und ein großes Palais in der Herrengasse; außerdem stehe er mit den vornehmsten Familien in enger verwandtschaftlicher Beziehung, so mit dem ganzen »Olymp«, seine Mutter sei eine echte Bourbon, noch nicht einmal aus einer morganatischen Ehe. Auch das Alter stimme gut, Montorio zähle zweiunddreißig Jahre. Selten fänden sich im Leben Partien, bei denen sich alles so glücklich und passend füge. »Dein Vater würde dich großzügig ausstatten, damit du nicht in allem von deinem Gatten abhängig wirst. Alles wäre schön und herrlich. Die erste Frau in Wien könntest du sein!«
Sie legte eine Pause ein, wartete auf die Antwort des Mädchens. Klára erhob sich. Sie wandte sich leicht ab und machte seitwärts einige Schritte. Man sah ihr an, dass sie nach Einwänden suchte: »Ja, Mama. Das stimmt, alles ist wahr, natürlich. Aber … aber dennoch … dennoch … ich weiß nicht …«
»Was heißt das: Du weißt nicht?«
»Dennoch irgendwie … irgendwie nicht … irgendwie wünsche ich mir das nicht …«
»Warum nicht?«
»Nein! Irgendwie …«, und darauf mit einer breit ausholenden Geste des Arms und gespreizten dünnen Fingern, als suche sie in der Luft nach den richtigen Worten: »Irgendwie … irgendwie interessiert mich das nicht.«
Fürstin Ágnes zog die immer noch schönen, ein wenig aber schon reich gepolsterten Schultern verächtlich hoch. »Interessiert dich nicht? Warum sollte es dich nicht interessieren? Er ist ein hocheleganter junger Mann von bestem Aussehen. Was braucht es mehr? Und zu all dem ist er in dich auch noch verliebt.«
»Ja. Vielleicht. Aber irgendwie … interessiert mich das nicht«, wiederholte Klára, offensichtlich erfreut, dass sie diesen passenden Ausdruck gefunden hatte.
»Das ist merkwürdig. Und auch nicht natürlich bei einem gesunden jungen Mädchen.« Und nun meldete sich bei ihr ein unerwarteter Verdacht, der den
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