Die Schuld der Väter (Detective Dave Robicheaux) (German Edition)
zwei Zeitungsreporter, damit alle in den Genuss Ihrer Ausführungen kommen«, sagte ich.
»Meinetwegen können Sie den Schlaumeier spielen, so viel Sie wollen. Sie haben meinen Mandanten nicht über seine Rechte belehrt, und Sie haben ihm einen Anwalt verwehrt.«
»Beides stimmt nicht. Er war bereits über seine Rechte belehrt worden, und ich habe ihm gesagt, er soll Sie anrufen, bevor wir ihn hergebracht haben. Im Beisein von Zeugen, darunter seine Großmutter.«
Ich sah, wie sein Blick unsicherer wurde.
»Spielt keine Rolle. Sie haben einen verängstigten Jungen reingelegt«, sagte er.
»Hören Sie sich mal an, was Tee Bobby auf dem Videoband sagt. Danach können Sie herkommen und mir erzählen, was für ein Gefühl Sie im Bauch haben. Übrigens sagt er, er wäre an dem Tag, an dem sich der Mord ereignete, bei Ihnen gewesen und hätte Sie um finanzielle Unterstützung gebeten, aber Sie hätten ihn abblitzen lassen. Er sagt, Sie hätten ihm außerdem mitgeteilt, dass Legion sein Großvater ist.«
»Dann bin also ich für Amanda Boudreaus Tod verantwortlich?«
»Nein, Sie spielen keine Hauptrolle, Sie sind bloß ein Nebendarsteller. Vielleicht beruhigt Sie das«, sagte ich.
»Sie können es einem wirklich reinreiben«, erwiderte er.
»Adios«, sagte ich.
Ich nahm mir ein paar Papiere auf meinem Schreibtisch vor und las sie, bis er weg war.
Aber später machte mir meine spöttische Bemerkung zu schaffen. Vielleicht war »Nebendarsteller« nicht ganz der richtige Ausdruck. Perry verstand sich meisterhaft darauf, andere davon zu überzeugen, dass er stets ein Opfer war, keinesfalls der Täter. Ich holte die Akte heraus, die ich über Legion Guidry angelegt hatte und nahm mir die Notizen vor, die ich mir bezüglich der Schießerei im Jahre 1966 gemacht hatte, als Legion einen gewissen William O’Reilly getötet hatte, einen freiberuflichen Schriftsteller aus New York. In der Zeitung von Morgan City hatte es geheißen, O’Reilly habe in einer Bar eine Pistole gezogen und sei erschossen worden, als Legion ihn entwaffnen wollte. Ladice Hulin behauptete jedoch, ein Schwarzer in der Küche hätte gesehen, wie Legion die Waffe unter der Bar hervorholte und O’Reilly auf dem Parkplatz regelrecht hinrichtete, aus nächster Nähe auf ihn schoss, sodass O’Reillys Jacke Feuer fing.
Ich rief die für Nachschlagewerke zuständige Bibliothekarin in der Bezirksbibliothek an der Main Street an und bat sie, nach irgendwelchen bibliographischen oder biographischen Angaben über William O’Reilly zu suchen. Eine halbe Stunde später rief sie zurück.
»Ich konnte nicht viel finden, was Sie nicht schon wissen. Er hat zwei Groschenromane veröffentlicht. Wollen Sie die Titel wissen?«, sagte sie.
»Yeah, das wäre prima. Wissen Sie auch, bei welchem Verlag sie erschienen sind?«
»Pocket Books«, sagte sie.
»Sonst noch was?«, sagte ich.
»In dem Nachruf sind die Namen von ein paar Hinterbliebenen aufgeführt.«
»Sie haben den Nachruf gefunden? Meinen Sie den aus dem Lokalblatt in Morgan City?«, sagte ich.
»Nein, in einer Zeitung in Brooklyn. Von dort stammte er. Soll ich ihn rüberfaxen?«, sagte sie.
Gott schütze sämtliche Bibliothekarinnen auf der Welt, dachte ich.
Ein paar Minuten später kroch das Fax aus unserem Gerät. Neben anderen Hinterbliebenen von William O’Reilly war dort eine Schwester aufgeführt, eine gewisse Mrs. Harriet Stetson. Ich rief die Auskunft in Brooklyn an und wollte schon wieder auflegen, als mir der automatische Antwortdienst eine Telefonnummer durchgab. Ich wählte die Nummer, hinterließ zwei Nachrichten auf dem Anrufbeantworter und ging dann zum Mittagessen. Als ich in mein Büro zurückkehrte, klingelte das Telefon auf meinem Schreibtisch.
»Ich bin Harriet Stetson. Sie wollten mich wegen meines Bruders sprechen?«, meldete sich eine ältere Frau.
Ich wusste nicht, wo ich anfangen sollte. Ich wiederholte, wer ich war, und erklärte ihr, ich glaubte nicht, dass ihr Bruder in einer Bar in Morgan City eine Waffe gezogen hätte. Ich sagte, meiner Meinung nach wäre ihm jemand nach draußen gefolgt und hätte ihn auf dem Parkplatz ermordet, und die Zeugen der Tat hätten gelogen.
Sie schwieg eine ganze Weile.
»Ich kann Ihnen gar nicht sagen, wie viel mir dieser Anruf bedeutet, Mr. Robicheaux«, sagte sie. »Mein Bruder hatte Probleme mit dem Alkohol, aber er war ein gutmütiger Mensch. Er war freiwilliger Mitarbeiter bei einer katholischen Arbeitermission in der Bowery. Er
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