Die Schuld der Väter (Detective Dave Robicheaux) (German Edition)

Sitz und wollte auf die Hupe drücken.
    »Das is Amanda Boudreau. Lass es sein, Jimmy«, sagte Tee Bobby.
    »Das Mädchen von der Highschool, das du dir ausgeguckt hast?«
    »Nicht mehr. Sie sagt, ich bin zu alt.«
    »Zu alt? Zu schwarz, das meint sie damit. Du lässt ihr das durchgehn, wenn sie so ’nen Scheiß daherredet?«
    Tee Bobby antwortete nicht. Der Motor des Geländewagens klang wie eine Kettensäge, die ein Eisenband durchschneidet. Amanda hatte die Arme eng um den Bauch des Jungen geschlungen und schmiegte sich mit dem Gesicht an seinen Rücken.
    Jimmy Dean schlug auf die Hupe und drückte den Knopf fast zehn Sekunden lang durch. Als sich der Fahrer des Geländewagens umdrehte, zeigte ihm Jimmy Dean den hoch gereckten Finger.
    Der Junge zeigte ihm ebenfalls den Finger und bretterte dann über die Holzbrücke in ein anderes Zuckerrohrfeld.
    Tee Bobby schaute geradeaus, wusste nicht, was er sagen sollte, während ihm der Staub in die Augen zog und die Feuchtigkeit wie Dampf auf seiner Haut brannte.
    »Bloß eine Frage, Tee Bobby. Wie viel Scheiß willst du dir an einem einzigen Tag noch bieten lassen?«, sagte Jimmy Dean. »Perry LaSalle macht alles Mögliche mit dir, außer dass er dir den Schwanz in den Mund steckt, und ein kleiner weißer Pisser zeigt uns den Finger und hat das Mädchen dabei, das dir gesagt hat, dass sie nix mit ’nem dahergelaufenen Plantagennigger aus Poinciana Island zu tun haben will. Darauf läuft’s nämlich raus.«
    »Ich sag ja gar nicht, dass du nicht Recht hast«, sagte Tee Bobby.
    »Dann tu was dagegen«, sagte Jimmy Dean und reichte Tee Bobby den Joint.
    Tee Bobby hielt den Joint locker an den Mund und blies ihn an, sog dann in kurzen Zügen den Rauch und die Luft ein, bis er sich fast die Lippen verbrannte, und hielt jedes Mal den Atem an. Aber er ging nicht auf Jimmy Deans Aufforderung ein.
    »Wie sieht’s aus, Tee Bobby? Stehst du in Los Angeles nicht deinen Mann, wischen sie sich mit dir den Arsch ab. Wenn ich meine Kohle rausrücken soll, musst du mir zeigen, dass du dich von niemand rumschubsen lässt«, sägte Jimmy Dean.
    Tee Bobbys Hand zitterte leicht, als er Jimmy Dean den Joint zurückgab. Er ließ den Motor an und hörte das laute Klacken des Automatikgetriebes im Unterboden widerhallen, als er den Schalthebel auf Drive schob, fast so, als hätte sich ein Räderwerk in Bewegung gesetzt, das fortan von selbst weiterlief. Als das Auto auf die Holzbrücke zurollte, sah er einen Moment lang Rosebud im Rückspiegel, ihr schläfriges, von der Hitze verquollenes Gesicht, die feuchte Haarsträhne, die an ihrer Stirn klebte.
    »Schlaf weiter, Rosebud. Ich will bloß ’n paar Takte mit ’nem aufmüpfigen weißen Jungen reden, dann fahren wir weiter«, sagte Tee Bobby.
    Er staunte selbst darüber, wie entschlossen seine Worte klangen. Als er sich zu Jimmy Dean umdrehte, schaute der so beifällig drein, wie er es noch nie erlebt hatte. Vielleicht hatte Jimmy Dean Recht. Irgendwann kam der Tag, an dem man sich nichts mehr bieten ließ.
    Amanda und ihr Freund hatten neben einem Brombeergebüsch angehalten, auf einem staubigen Stück Land zwischen dem Zuckerrohrfeld und einem Tupelowäldchen. Amanda und ihr Freund beobachteten einen Heißluftballon, der hoch im Himmel nach Westen trieb, ließen den Motor laut vor sich hintuckern, sodass sie Tee Bobbys Auto nicht hörten. Jimmy Dean griff in den Jutesack zu seinen Füßen und holte zwei Strickmützen heraus, die er mitsamt der Flinte und der Patronenschachtel dort verstaut hatte.
    »Setz sie auf, Mann. Mal sehn, ob uns Chuckie noch mal den Stinkefinger zeigen will«, sagte Jimmy Dean.
    »Aber wir erschrecken sie bloß ein bisschen, stimmt’s? Mehr machen wir doch nicht, was, Jimmy Dean?«, sagte Tee Bobby.
    »Das liegt an denen, Mann. Halt dich an mich und nimm’s, wie’s kommt«, erwiderte Jimmy Dean. Er zog ein Paar Lederhandschuhe an, streifte sich die Strickmütze übers Gesicht und stieg aus, hielt den Lauf der Schrotflinte schräg nach oben.
    »Hey, du Arschgeige, du hast grade dem falschen Nigger den Finger gezeigt!«, brüllte er und hebelte eine Patrone in die Kammer.
    Tee Bobby zog sich rasch die Strickmütze übers Gesicht. Er hatte das Gefühl, als zerspränge sein Herz. Was hatte Jimmy Dean vor?
    Aber die Antwort war ganz einfach: Jimmy Dean hatte Amanda und ihren Freund gerade dazu gezwungen, sich im schwülen Schatten eines Tupelobaumes auf den Boden zu legen. Ein Springseil hing von seiner linken Hand.