Die Schuld der Väter (Detective Dave Robicheaux) (German Edition)
die zum Festland und der aus kleinen Häusern bestehenden Siedlung führte, in der ein Großteil seiner Arbeiter wohnte.
Manchmal winkten ihm seine Arbeiter im schwindenden Licht zu, wenn sie ihre Autos auf dem Hof wuschen oder an einer zum Grill umgebauten Waschmaschine Fleisch brieten. Aber Mr. Julian erwiderte den Gruß nicht, worauf sie ihre Kinder einsammelten und lieber hineingingen, damit er in all seinem Kummer nicht auch noch mitansehen musste, wie fröhlich und ausgelassen sie waren.
Aber für die meisten Schwarzen auf der Plantage waren die Würfel gefallen, als sich drei Wochen nach Mrs. LaSalles Tod ein Ereignis zutrug, dem Außenstehende kaum Bedeutung beimaßen.
Ein ausgewachsener Alligator, der mindestens dreieinhalb Meter lang war, war in der Morgendämmerung aus der Bucht gekommen und hatte sich eine Schmuckschildkröte geschnappt. An diesem Uferstück aber hatte eine Schwarze ihr in Windeln gewickeltes Kind einen Moment lang unbeaufsichtigt im Garten hinter ihrem Haus liegen lassen. Als das Kind zu schreien anfing, tauchte der Alligator, an dessen Zähnen noch Fleischfetzen und Splitter vom Schildkrötenpanzer hingen, aus dem Dunst auf, schaute sich mit wässrig-trüben Augen um, der grün-schwarze Leib glitschig vor Schlamm und von blühenden Wasserhyazinthen umschlungen, und trottete in den Garten.
Die Mutter stürmte völlig aufgelöst hinaus, lud sich das Kind auf die Arme, rannte die ganze Straße entlang, bis zum Plantagenladen, und schrie nach Mr. Julian.
Mr. Julian kannte jede Alligatorbruthöhle auf oder in der Nähe der Insel, er kannte die Sandbänke, auf denen sie Waschbären fraßen, sämtliche Winkel und Windungen der Wasserläufe, wo sie in der Strömung trieben und darauf warteten, dass ihnen eine Nutria oder eine Bisamratte vor die Augen schwamm.
Mr. Julian stellte stromernden Alligatoren mit seinem Kanu nach. Er paddelte leise am Ufer entlang, stand dann jählings auf, ohne auch nur einmal aus dem Gleichgewicht zu kommen, legte seine Jagdflinte an und erlegte den Alligator mit einer 30–06er Kugel, die er ihm zwischen die Augen setzte.
Mr. Julian mochte seine Fehler haben, aber wenn ein Kind in Gefahr war, ließ er einen nicht im Stich.
Der Kaufmann in dem Plantagenladen, zu dem die Frau gerannt war, sagte ihr, sie sollte wieder nach Hause gehen. Jemand würde sich um den Alligator kümmern, der sich in ihren Garten verirrt hatte.
»Kommt Mr. Julian mit seinem Gewehr zu mir?«, sagte sie.
»Zurzeit ist Legion für alles zuständig«, sagte der Kaufmann.
»Mr. Julian sagt immer, wir sollen ihm Bescheid geben, wenn ein Gator in den Garten kommt. Er sagt, wir sollen gleich zu ihm kommen und an die Tür klopfen«, sagte die Frau.
Der Kaufmann zog einen Stift hinter dem Ohr hervor, feuchtete ihn mit der Zunge an und schrieb etwas auf einen Block. Dann holte er eine Pfefferminzstange aus einem Glasgefäß und gab sie dem Kind.
»Ich lege Legion eine Nachricht in sein Postfach. Du hast es gesehen. Geh jetzt mit deinem Kind nach Hause und mach dir darüber keine Gedanken mehr«, sagte er.
Aber drei Tage vergingen, ohne dass jemand den stromernden Alligator erlegte.
Die Schwarze ging wieder zum Laden. »Sie ham versprochen, dass mir Legion den Gator vom Hals schafft. Wo is Mr. Julian?«, sagte sie.
»Schick deinen Mann vorbei«, sagte der Kaufmann.
»Sir?«, sagte die Frau.
»Schick deinen Mann her. Ich will wissen, ob ihr weiter auf Poinciana Island arbeiten wollt«, sagte der Kaufmann.
Zwei Tage später tauchten Legion und ein anderer Mann hinter dem Haus der Schwarzen auf und warfen eine Trosse mit einem stählernen Haken über die Astgabel einer am Ufer stehenden Zypresse. Sie nagelten die Trosse am Stamm fest, bestückten den Haken mit einem gerupften Hühnchen und einer toten Amsel und warfen ihn zwischen die Wasserhyazinthen.
In dieser Nacht, bei Vollmond, glitt der Alligator durch das Schilf, die Wasserhyazinthen und die Algen, die im seichten Wasser trieben, und schnappte sich den Köder. Er schlug mit dem Schwanz aus, dass das Wasser fast fünf Meter weit an Land spritzte.
Am nächsten Morgen lag der Alligator am seichten Ufersaum, erschöpft und abgekämpft, hatte sich den Haken durch den Oberkiefer gebohrt, durch Sehnen und Knochen, sodass er sich nicht mehr losreißen konnte, egal, wie oft er an der Trosse zerrte oder mit dem Schwanz aufs Wasser peitschte.
Legion ließ den Alligator bis zum Sonnenuntergang am Haken hängen, setzte dann mit einem Pickup,
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