Die Schuld der Väter (Detective Dave Robicheaux) (German Edition)
aufgefordert hatte.
»Sagt Ihnen der Name William O’Reilly etwas?«, fragte ich.
»Nein.«
»Er war ein Schriftsteller aus New York. Legion hat ihn vor einer Bar in Morgan City erschossen.«
Perry nahm einen Stift und drehte ihn zwischen den Fingern hin und her, dann ließ er ihn wieder auf seinen Schreibtisch fallen. Die Regale standen voller juristischer Fachbücher, historischer Werke und in Leder gebundener Biographien bekannter Männer. An der Wand hing ein Foto des berühmten Cajun-Musikers Iry LeJeune. Eine alte Golftasche aus Segeltuch, in der etliche Mahagonidriver steckten, stand in der einen Ecke, wie eine Erinnerung an geruhsamere Zeiten.
»Legion ist ein Überbleibsel aus einer vergangenen Epoche. Ich kann weder ihn ändern noch das, was er getan hat«, sagte Perry. »Manchmal braucht er Geld. Ich gebe ihm welches.«
»Ich hatte unlängst einen Zusammenstoß mit diesem Mann. Ich glaube, er ist böse. Ich meine damit nicht etwa schlecht. Ich meine böse, im strengsten theologischen Sinn.«
Perry schüttelte den Kopf. Er hatte ein braun gebranntes Gesicht, dunkelblaue Augen und bräunlich-schwarze Haare, die sich in den Nacken ringelten. »Und ich dachte, ich hätte schon alles Mögliche gehört«, sagte er.
»Wie bitte?«
»Er ist ein alter Mann, ein ungebildeter Cajun, der ebenso sehr Opfer wie Täter ist, und Sie stellen ihn als einen Gehilfen des Satans hin.«
»Warum habe ich bei Ihnen immer das Gefühl, dass Sie vom Licht der Gerechten erfüllt sind, während wir andern heillos durch die Wildnis tappen?«, sagte ich.
»Sie können einem wirklich an die Gurgel gehen, Dave.«
»Fragen Sie Legion, wenn Sie ihn das nächste Mal sehen, warum ihm ein Polizist ins Essen gespuckt hat«, sagte ich und stand auf.
»Jemand hat ihm ins Essen gespuckt ? Sie etwa?« Perry steckte sich einen Pfefferminzdrops in den Mund und zerknackte ihn mit den Backenzähnen. Er lachte vor sich hin. »Sie sind vielleicht ein Teufelskerl, Dave. Übrigens, Tee Bobby Hulin hat einen Lügendetektortest bestanden. Er hat Amanda Boudreau weder vergewaltigt noch erschossen.«
An diesem Nachmittag traf ich mich mit Clete auf einen Kaffee beim McDonald’s an der East Main Street.
»Na und?«, sagte er. »Wenn du den richtigen Fachmann am Polygraphen hast, kriegst du auch die richtigen Ergebnisse. No Duh Dolowitz sagt immer, er kann den Apparat austricksen, indem er die Zehen zusammenkneift.«
»Möglicherweise habe ich mitgeholfen, einen Unschuldigen reinzureiten.«
»Wenn sie das eine Ding nicht gedreht haben, haben sie irgendein anderes gedreht. Unschuldige haben keine DNS-Spuren von einer Ermordeten an ihren Klamotten. Den Kerl hätte man vermutlich sowieso mit der Nachgeburt wegkippen sollen.«
Ich trank meinen Kaffee aus und betrachtete eine Gruppe schwarzer Jungs, die im Schatten einer Eiche mit einem Basketball den Bürgersteig entlangdribbelten. Clete setzte zu einem weiteren ausführlichen Bericht über seine laufenden Schwierigkeiten mit Zerelda Calucci an. Er bemerkte meinen Gesichtsausdruck.
»Was denn, musst du irgendwo hin?«, fragte er.
»Um die Wahrheit zu sagen –«
»Ich mach’s schnell. Letzte Nacht grille ich auf dem kleinen Patio bei ihrer Hütte mit ihr ein Steak und suche nach den richtigen Worten, du weißt schon, damit ich mich irgendwie aus der Sache rausmogeln kann, in die ich da geraten bin, ohne einen Blumentopf abzukriegen. Aber sie streicht ständig um mich rum, nimmt mir die Fleischgabel aus der Hand und dreht das Steak um, als war ich ein großer Junge, der nicht weiß, was er machen muss, streift mir das Hemd über der Schulter glatt und summt ein Liedchen vor sich hin.
Dann legt sie mir ohne jeden Grund die Arme um den Hals, drückt den Bauch an mich und gibt mir einen Schmatz auf den Mund, und plötzlich bin ich wieder in ’nem hochnotpeinlichen Zustand und denke mir, vielleicht isses gar nicht nötig, dass wir unsere Kiste mit einem Schlag über Bord kippen.
Als ich grade vorschlagen will, dass wir die Sache nach drinnen verlegen sollten, hör ich jemand hinter uns und dreh mich um, und da ist wieder dieser Hinterwäldler, der Bibelvertreter, der ein weißes Sportsakko mit ’ner roten Nelke anhat und seinen Hut in der Hand hält. ›Ich hab nicht gewusst, ob Sie die Bibel und die Rosen gefunden haben, die ich für Sie hinterlegt habe‹, sagt er.
Sagt Zerelda: ›Oh, das war ja so reizend.‹
Und ich trete natürlich voll in die Scheiße und sage: ›Yeah, danke, dass du
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