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Die Schuld des Tages an die Nacht

Titel: Die Schuld des Tages an die Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Yasmina Khadra
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Polizei. Bald hatte sich ein Auflauf um die Opfer gebildet: drei Tote, darunter ein junges Mädchen, und fünf Schwerverletzte.
    Ich fuhr nach Río zurück und schloss mich zwei Tage lang in meinem Zimmer ein.
    Ich fand keinen Schlaf mehr. Sobald ich im Bett lag, zerrte ein bodenloses Grauen an mir. Zog mich einem Abgrund entgegen, in dem ich rettungslos versank. Der Schlaf bot mir keine Zuflucht mehr, Alpträume warfen mich von einem Horror in den nächsten. Ermattet davon, meinen Blick ständig über die Decke wandern zu lassen, setzte ich mich auf, barg meinen Kopf in beide Hände und starrte zu Boden. Meine Füße hinterließen feuchte Abdrücke auf den Fliesen. Die Maschinengewehrsalven von der Strandpromenade dröhnten in meinen Gedanken. Ich konnte mir noch so sehr die Ohren zuhalten, sie verdoppelten und verdreifachten sich, ohrenbetäubend, unheilbringend. Mein Körper erbebte unter dem Anprall der Detonationen. Ich ließ bis zum Morgen die Nachttischlampe brennen, um die Gespenster in Schach zu halten, die hinter der Schlafzimmertür lauerten und nur darauf warteten, sich auf mich zu stürzen, sobald ich ein wenig eingenickt wäre. Ich klammerte mich an das leiseste Rascheln, das entfernteste Winseln draußen in der Nacht, um nur ja wach zu bleiben. Wenn die Fensterbalken im Wind ächzten, war mir, als würde mein Schädel gespalten. »Das kommt vom Schock«, erklärte mir der Arzt, als ob ich das nicht selbst gewusst hätte … Doch wie sollte ich darüber hinwegkommen, das war die Frage. Der Arzt kannte auch kein Wundermittel. Er verschrieb mir Beruhigungspillen und Schlaftabletten,die nichts brachten. Ich war depressiv und mir meines Wegdriftens sehr wohl bewusst, nur dass ich nicht wusste, wie dem beizukommen sei. Ich hatte das Gefühl, jemand ganz anderer zu sein, ein nervtötender, unerfreulicher Typ, auf den ich dennoch nicht verzichten konnte: Er war alles, was mir noch blieb.
    Ich hatte Platzangst entwickelt und war viel auf dem Balkon, um frische Luft zu schnappen. Germaine kam oft, um mir Gesellschaft zu leisten. Sie versuchte, mit mir zu reden, aber ich hörte nicht zu. Was sie sagte, ermüdete mich, machte mich noch gereizter. Ich wollte allein sein. Und ging viel auf die Straße hinaus. Nacht für Nacht. Woche für Woche. Die Stille im Dorf tat mir gut. Ich war gern auf dem menschenleeren Rathausplatz, lief die Promenade entlang, setzte mich auf eine Bank und dachte an gar nichts.
    In einer mondlosen Nacht, als ich auf dem Gehweg gerade Selbstgespräche hielt, kam mir mit schwankendem Lichtkegel und schaurig quietschender Kette ein Fahrrad entgegen. Es war der Gärtner von Madame Cazenave. Er bremste dicht neben mir ab und wäre dabei fast über den Lenker geflogen; er war leichenblass und nur notdürftig bekleidet. Unfähig, auch nur eine Silbe zu artikulieren, deutete er stumm hinter sich und bestieg gleich wieder sein Rad, so hastig, dass er gegen den Bordstein prallte und zu Boden stürzte.
    »Was ist denn los? Man könnte ja meinen, hinter dir sei ein Dämon her!«
    Zitternd rappelte er sich hoch, schwang sich in den Sattel und stammelte mit schier übermenschlicher Anstrengung:
    »Ich muss … ich muss … zur Polizei … bei den Cazenaves, da … da ist ein Unglück passiert.«
    Da erst sah ich den gewaltigen rötlichen Schein, der sich hinter dem israelitischen Friedhof am Himmel erhob. »Mein Gott!«, schrie ich und rannte los.
    Das Haus der Cazenaves brannte lichterloh. Die Flammen loderten so hoch, dass sie die Obstplantagen ringsum erhellten.
    Ichrannte quer über den Friedhof. Je näher ich dem Unglücksort kam, umso deutlicher erkannte ich das Ausmaß der Katastrophe. Das Feuer hatte bereits das Erdgeschoss verschlungen und griff jetzt unter gefräßigem Summen und Knacken das Obergeschoss an. Simons Wagen stand brennend im Hof, aber ich erblickte weder ihn noch Émilie im Inferno. Das Gartentor war offen. Die Weinreben ringelten sich inmitten züngelnder Flämmchen knisternd an der Pergola. Ich hielt mir beide Arme schützend vors Gesicht und kämpfte mich durch die Flammenwand zum Springbrunnen durch. Zwei Hunde lagen tot im Hof. Unmöglich, sich dem Haus zu nähern, das nur mehr eine tosende Feuersglut war, die nach allen Seiten um sich griff. Ich wollte nach Simon rufen, doch kein Laut kam aus meiner verdorrten Kehle. Eine Frau kauerte unter einem Baum. Die Frau des Gärtners. Das Kinn in die Hände gestützt, starrte sie mit abwesendem Blick auf das Haus, das soeben in Rauch

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