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Die Schuld des Tages an die Nacht

Titel: Die Schuld des Tages an die Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Yasmina Khadra
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dessen sämtliche Wünsche erfüllen zu wollen. Er schlug uns, das heißt mir und Jean-Christophe, vor, Simon und Fabrice abzuholen und uns dann im Majestic , einer der schicksten Brasserien der europäischen Stadt, mit ihm zu treffen.
    Wirverbrachten den Abend zu sechst in diesem teuren, erlesenen Restaurant auf Kosten Andrés, der sich nicht lumpen ließ. Joe stieg der Wein zu Kopfe. Nach dem Essen begann er, ausfällig zu werden. Als Erstes fiel er dem amerikanischen Journalisten auf die Nerven, der hinten im Saal friedlich an seinem Bericht feilte. Joe ging zu ihm hin, erzählte ihm von seinen Heldentaten und beschrieb ihm detailliert sämtliche Fronten, an denen er seine Haut riskiert hatte. Der Journalist, ein höflicher Mensch, wartete geduldig darauf, endlich weiterarbeiten zu können, er war ziemlich ungehalten, aber zu schüchtern, um es offen zu zeigen, und sehr erleichtert, als André seinen Kämpen zurückholte. Joe schwankte bedenklich auf dem Weg zu unserem Tisch. Von Zeit zu Zeit drehte er sich nach dem Journalisten um und brüllte über Tische und Köpfe hinweg: »Sieh zu, dass du mich auf die Titelseite bekommst, John. Ich will meinen Namen vorn auf der Zeitung sehen. Wenn du ein Foto brauchst, kein Problem. Okay, John? Ich zähl auf dich.« Der Journalist sah ein, dass er seinen Artikel nicht würde beenden können, solange dieser Radaubruder in der Nähe war, packte seine Unterlagen zusammen, legte eine Banknote auf den Tisch und verließ das Restaurant.
    »Wisst ihr, wer das war?«, fragte uns Joe und deutete mit dem Daumen über seine Schulter. »John Steinbeck, der Schriftsteller. Er ist Kriegsreporter bei der Herald Tribune . Er hat schon einen Artikel über mein Regiment gebracht.«
    Nachdem der Journalist verschwunden war, hielt John nach anderen Opfern Ausschau. Er stürzte zum Tresen und verlangte, etwas von Glenn Miller zu hören; dann nahm er auf seinem Stuhl Haltung an und begann, Home On The Range zu grölen; als Nächstes nötigte er, ermutigt durch die Anwesenheit amerikanischer Soldaten, die auf der Terrasse dinierten, einen Kellner, ihm You’d Be So Nice To Come Home To nachzusingen. Erst lachten die anderen Gäste, dann lächelten sie nur noch, am Ende verzogen sie das Gesicht und appellierten an André, seinen Yankee woanders auszuführen. Joe war nicht mehr der netteliebe Kerl, der er tagsüber gewesen war. Voll wie eine Haubitze, mit blutunterlaufenen Augen und Schaum in den Mundwinkeln, trieb er es jetzt wirklich zu weit. Er stieg auf den Tisch und fing an, wild draufloszusteppen. Sein Schuh landete im Geschirr, und alsbald wirbelten Teller, Gläser, Flaschen durch die Luft und zerschellten am Boden. Der Geschäftsführer der Brasserie bat ihn höflich, mit seinem Zirkus aufzuhören, aber Joe wollte partout nicht und pflanzte ihm stattdessen seine Faust ins Gesicht. Zwei Kellner eilten herbei, um ihrem Chef beizustehen, doch auch sie hingen sofort in den Seilen. Die weib lichen Gäste sprangen mit spitzen Schreien von ihren Stühlen auf. André packte seinen Schützling mit beiden Armen und beschwor ihn, sich zu beruhigen. Doch Joe hatte seine Ohren längst auf Durchzug gestellt und teilte blindlings Faust-hiebe aus. Im Nu waren die übrigen Gäste in die Schlägerei verwickelt, bald mischten auch die Soldaten auf der Terrasse kräftig mit, und am Ende flogen in einem unbeschreiblichen Handgemenge die Stühle durch die Luft.
    Erst der Militärpolizei mit ihrem energischen Eingreifen gelang es, Joe zu überwältigen.
    Im Restaurant kehrte langsam wieder Ruhe ein, nachdem der Jeep der Military Police mitsamt Joe in der Nacht verschwunden war.
    Zurück in unserem Zimmer am Boulevard des Chasseurs, fand ich keinen Schlaf. Die ganze Nacht über wälzte ich mich unruhig unter meinem Laken, der Anblick Haddas als Prostituierter ging mir nicht aus dem Kopf. Batouls Stimme hämmerte gespenstisch gegen meine Schläfen, ließ mich nicht los, drängte sich in meine Gedanken, schürte meine Ängste, hob das gesammelte Schweigen aus, das ich tief in mir drin versenkt hatte. Es schien mir ein böses Omen zu sein, als bahnte sich etwas Düsteres an, das mich bald mit voller Wucht treffen würde. Ich versteckte mich vergebens unter dem Kopfkissen, bis ich kaum noch Luft bekam, das Bild der halbnackten Hadda auf der Nischenbank im Bordell drehte sich sachte um sich selbst,wie eine Spieluhrballerina, während die Stimme der Seherin unheilvoll über sie hinwegwehte.
    Am nächsten Morgen bat ich

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