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Die Schuld einer Mutter

Die Schuld einer Mutter

Titel: Die Schuld einer Mutter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paula Daly
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Letztes Jahr hat er sich nach dem ganzen Ärger abgesetzt, und seither ruft er seine Mutter kaum noch an. Joanne weiß, dass es Jackie das Herz bricht, auch wenn sie kaum darüber sprechen. Jackie schämt sich zu sehr für alles, was passiert ist.
    Joanne öffnet den Ofen und stellt einen Teller auf das Tablett. Sie wird sich das Tablett auf die Knie stellen, vor dem Fernseher essen und Emmerdale schauen. Jackie steht am Kühlschrank und holt den Wein heraus. Ganz offiziell trinkt Jackie nicht mehr als eine halbe Flasche pro Abend (der Kalorien wegen), aber Joanne fällt oft auf, dass sie auch die zweite Hälfte im Laufe des Abends trinkt, ohne es zu merken. Ihre Tante sieht sie fragend an. »Glaubst du, es ist derselbe Perverse, der dieses Mädchen vergewaltigt und in Bowness ausgesetzt hat? Meinst du, das ist derselbe Mann?«
    »Am Anfang dachten wir das, aber der Täter hat das Kind nur für ein paar Stunden in seiner Gewalt gehabt … danach hat er sie gehen lassen.«
    »Dann hätte sie schon längst wieder auftauchen müssen? Willst du mir das damit sagen?«

14
    E s ist, als hätte man uns auf einem fremden Planeten ausgesetzt. So anders und so trostlos, dass wir nicht wissen, wie wir hier überleben sollen.
    Ich, Joe und die Kinder sitzen am Küchentisch. Die beiden Jüngeren, die Jungs, schaufeln sich das Essen in den Mund. Sie veranstalten einen Wettbewerb: Wer schneller fertig ist, darf als Erster wieder an die PlayStation. Sie spüren die bedrückte Stimmung und können es gar nicht abwarten, sich zu verziehen.
    Sally und ich stochern im Essen herum. Wir bekommen kaum einen Bissen herunter. Joe hat Hunger, aber er spricht kaum. Er war den ganzen Nachmittag draußen in der Kälte unterwegs und wird in einer Stunde nochmals aufbrechen. Die Männer treffen sich vor dem Gemeindesaal, um die ganze Nacht nach Lucinda zu suchen. Inzwischen hat sich die Bergwacht den Helfern angeschlossen, sie haben ihre Hunde mitgebracht, Collies, die normalerweise helfen, Vermisste aus Lawinen und Felsspalten zu retten. Ich kann mich schwach erinnern, neulich noch Geld in eine Spendenbüchse des Vereins gesteckt zu haben. Wie alle gemeinnützigen Vereine sind auch sie dringend auf Spenden angewiesen.
    Sally hat mir kurz geschildert, wie das Gespräch mit der Polizei ablief. Angeblich war der Beamte ganz nett; erleichtert hatte sie festgestellt, dass er wirklich nur hören wollte, was passiert war. Sie hatte mit einer Standpauke gerechnet, mit Vorwürfen.
    Aber ich spüre, dass sie mir nicht die ganze Wahrheit erzählt. Dass sie mir etwas verschweigt. Ich warte darauf, dass Joe endlich das Haus verlässt, damit ich nachhaken kann. So läuft das immer zwischen Sally und mir. Ich sehe auf den ersten Blick, ob irgendetwas nicht stimmt. Und dann warte ich. Das habe ich mit der Zeit gelernt. Wenn ich frage, wie der Schultag war und ob es Neuigkeiten gibt, verneint sie oft. Aber später, wenn ich den Tisch abräume und die Schulbrote für den nächsten Tag schmiere, steht sie plötzlich neben mir. Und mit behutsamem Nachfragen bekomme ich heraus, was sie bedrückt.
    Was ich auf keinen Fall tun darf, wenn sie mir etwas anvertraut hat, ist, ihre Freundinnen zu verurteilen. Wenn ich auch nur einen negativen Kommentar anbringe oder sie irgendwie kritisiere, wendet sie sich ab und macht dicht. Sie ist unglaublich loyal. Also gehe ich behutsam vor und höre aufmerksam zu.
    Zum Abendessen gab es nur Ungesundes, aber wir alle mögen Chicken Nuggets, Pommes und Bohnen aus der Dose. Unter diesen Umständen habe ich nicht mehr geschafft. Sally schiebt die letzten Pommes von ihrem Teller in die Hundeschüsseln. Ich sehe, wie sie zwei herausfischt und in den Napf daneben legt, damit alles gerecht verteilt ist. Joe ist zum Holzhacken in den Garten gegangen, damit wir für heute Abend genug haben. Sally dreht sich zu mir um.
    »Mum?«
    »Hmmm.«
    »Glaubst du, Lucinda könnte mit irgendwem verschwunden sein, also ich meine, freiwillig?«
    Vorsichtig, sage ich mir. Ganz vorsichtig.
    Ich versuche, möglichst gleichgültig zu klingen. »Wie kommst du darauf?«
    »Ich habe einfach nur nachgedacht, das ist alles … ich meine, es ist ja nicht so, als wäre sie ein kleines Mädchen. Es wäre gar nicht so einfach, sie zu entführen.«
    Ich lege den Kopf schief, als müsste ich erst überdenken, was sie da gesagt hat. In Wahrheit denke ich: Weißt du irgendwas? Sag es mir! Was weißt du?
    »Du hast recht«, sage ich. »Es wäre gar nicht so einfach, Lucinda

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