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Die Schuld einer Mutter

Die Schuld einer Mutter

Titel: Die Schuld einer Mutter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paula Daly
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Fergus habe gesundheitliche Probleme. »Er ist krank, seit wir befreundet sind.« Das oder etwas Ähnliches hatte sie gesagt. Joanne sagt sich, dass das der Grund für Guys Arztbesuch sein muss.
    Sie beschließt, für heute Schluss zu machen. Sicherlich holt Guy ein Medikament für seinen Sohn ab, denkt sie, tritt die Kupplung durch und legt den ersten Gang ein. Aber gerade als sie anfahren will, sieht sie Guy aus der Praxis eilen. Er wirkt gehetzt.
    Warum auch nicht, denkt sie.
    Er sieht sich verstohlen um.
    Na ja, seine Tochter wird vermisst, sagt sie sich.
    Er jagt in seinem Audi Q7 V12 – ein Auto im Wert von mehr als hundert Riesen – davon, ohne das Licht einzuschalten.
    Nun ja, möglicherweise ist er mit den Gedanken woanders.
    Aber dann, am Ende der Straße, biegt er nach rechts ab. Nicht nach links, wo er wohnt.
    Wie seltsam, denkt Joanne. Und fährt ihm hinterher.

13
    J oanne bleibt auf Abstand. Sie hält eine sichere Distanz zu Guy ein. Falls er aus irgendeinem Grund anhalten sollte, käme sie schnell zu nah, und dann würde er sie im Rückspiegel entdecken. Er hat ein Wunsch-Nummernschild – GR 658 –, und der riesige Audi, strahlend weiß, leuchtet wie ein Festumzugswagen. Hätte man etwas Verbotenes vor, würde man sich kaum so ein Auto aussuchen. Auffälliger geht es wirklich nicht.
    Sie durchqueren den Ortskern von Bowness. In den Sommermonaten ist Bowness der beliebteste Ort im gesamten Nationalpark, aber jetzt, in der Winterflaute Mitte Dezember, ist kein Mensch auf der Straße zu sehen. Alle Läden haben geschlossen. Joanne kann sich erinnern, dass die Ladenbesitzer vor einem Jahr beschlossen hatten, in der Vorweihnachtszeit bis sieben Uhr abends geöffnet zu haben. »Bequem bis abends einkaufen!«, das war ihr Slogan gewesen, aber dieses Jahr haben sie sich die Mühe nicht gemacht. Die Leute haben kein Geld mehr. Alle müssen sparen.
    Sie sieht Guy in eine Lücke vor dem Spirituosenladen einparken und hält in etwa zwanzig Metern Abstand. Er läuft in den Laden, kommt eine Minute später wieder heraus und zündet sich dabei einen Zigarillo an. Er steigt wieder in den Wagen und fährt an, ohne in den Rückspiegel zu schauen; um ein Haar rammt er einen Peugeot 206, bevor er bergab rast.
    Die Straße wurde mehrfach gestreut, trotzdem fährt er viel zu schnell. Selbst nach Joannes Maßstäben. Die Straße ist eng, und auf der linken Seite parken Autos; unter diesen Wetterumständen gibt es keine Ausweichmöglichkeit mehr.
    Aber Joanne kann ihm selbst das verzeihen. Wenn einem die Tochter entführt wurde, darf man sich so einiges herausnehmen.
    Er nähert sich dem Minikreisverkehr, an dem er rechts abbiegen muss. Falls er nach Hause will, muss er jetzt rechts abbiegen.
    Tut er aber nicht. Er fährt geradeaus weiter in Richtung See, und dann ist es auf einmal, als bemerke er, dass er verfolgt wird, denn unvermittelt biegt er nach links in die Brantfell Road ab.
    »Scheiße«, flüstert Joanne.
    Die Straße ist steil. Der Hang steigt um mindestens dreißig Grad an, außerdem wurde er kaum gestreut. Es handelt sich genau genommen um keine Straße, sondern um eine private Zufahrt. Es ist nur eine Sache von Sekunden, und Guy ist aus ihrem Blickfeld verschwunden; Joannes Mondeo bekommt schon auf dem ersten Streckenabschnitt Probleme.
    Sie stellt den Fuß aufs Gaspedal, aber die Reifen drehen durch. Neben der Straße steht ein alter Mann und schaut ihr zu. Zu seinen Füßen sitzt ein alter schwarzer, zitternder Patterdale-Terrier. Der alte Mann schüttelt den Kopf. Dann lässt er den Finger durch die Luft kreisen, wie um ihr zu bedeuten, umzukehren; es hat keinen Sinn, sie wird die Steigung nach Brantfell niemals schaffen.
    »Ja, okay, okay«, sagt sie genervt in seine Richtung.
    Was ist mit diesen alten Männern nur los?
    Manchmal bleiben sie sogar stehen, um Joanne beim Einparken in ihrer Wohnstraße zuzuschauen, und sie schütteln den Kopf, als wäre die Parklücke viel zu klein. Frauen würden so etwas niemals tun. Eine Frau würde niemals stehen bleiben, um einem mitzuteilen, dass man eine fremde Stoßstange rammen wird, oder sich bemüßigt fühlen, einen persönlich einzuwinken, als wäre man der Pilot eines verdammten Düsenjets. Wenn Joanne versucht, irgendwo einzuparken, gehen die Frauen einfach weiter, sie werfen ihr vielleicht einen flüchtigen Blick zu nach dem Motto »nicht mein Problem«, würden aber niemals aus Neugier stehen bleiben.
    Joanne zwingt sich, den Alten anzulächeln, dabei

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