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Die Schuld einer Mutter

Die Schuld einer Mutter

Titel: Die Schuld einer Mutter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paula Daly
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sein.
    Ich drücke auf die Klingel und warte.
    Nichts. Normalerweise hört man jemanden die Treppe herunterspringen, oder Kates abgehackte, schnelle Schritte im Flur.
    Ich drücke noch einmal auf den Knopf, und dann reibe ich meine Hände, um sie zu wärmen.
    Es ist, als wäre niemand zu Hause.
    Vielleicht steht Kate unter der Dusche.
    Ich beschließe, sie auf dem Handy anzurufen; vielleicht ist sie oben und kann mich nicht hören.
    Zwei Minuten später gebe ich es auf. Dann habe ich eine plötzliche Eingebung. Jede Wette, dass sie auf der Polizeiwache sind? Sicher haben sie von dem vermissten Mädchen gehört und sind sofort losgefahren, um sich zu informieren. Ja. Sicher haben sie Guys Auto genommen.
    Aber warum haben sie alle Lichter brennen lassen?
    Bevor ich kehrtmache und wieder nach Hause fahre, lege ich versuchshalber die Hand an den Türknauf und drehe ihn. Als die Tür nachgibt und sich öffnet, weiche ich vor Schreck zurück und rutsche fast aus.
    Vorsichtig trete ich ein. Weil ich Musik aus der Küche höre, bewege ich mich in diese Richtung. »Kate«, rufe ich. »Kate, bist du da?«
    In dem himmelblauen Transistorradio im Retrostil, das zu Kates anderen hellblauen Haushaltsgeräten im Retrostil passt, läuft Jona Lewies »Stop the Cavalry«.
    Und dann bleibt mir der Mund offen stehen.
    Kate liegt auf dem Boden neben dem Küchentisch. Sie trägt ihren Cath-Kidston-Pyjama mit den aufgedruckten Rosen und hat sich von oben bis unten vollgekotzt.
    Auf dem Tisch stehen drei leere Tablettendosen und eine halbleere Flasche Sambuca.
    Zitternd gehe ich in die Hocke. Ich glaube, Kate atmet nicht mehr.

27
    J oannes Geist ist vollkommen wach, aber ihr Körper schläft noch.
    Gestern hat sie es nicht vor elf nach Hause geschafft, denn sie musste ihr Auto im Zentrum von Windermere stehen lassen. Irgendein Volltrottel hatte sein Auto vor dem Coop mitten auf der Fahrbahn abgestellt und damit die Straße blockiert. Joanne war gezwungen, sich an den geparkten Autos entlangzuhangeln wie Spiderwoman. Zwischendurch kam ihr der Gedanke, dass sie weitaus schneller vorankäme, wenn sie sich einfach fallen ließe und auf dem Hintern bergab rutschte. Aber obwohl kein Mensch weit und breit zu sehen war, konnte sie sich nicht dazu überwinden.
    Dies war der denkbar schlechteste Moment für Eisregen. Zwei Mädchen im Teenageralter verschleppt und neun von zehn Straßen in Cumbria unbefahrbar.
    Die Polizei hatte die Bevölkerung aufgefordert, das Auto nur in Notfällen zu benutzen – was natürlich ein jeder anders interpretierte.
    Joanne erinnert sich an ein Interview mit einer amerikanischen Familie, das sie nach einem besonders heftigen Eissturm in Minnesota im Fernsehen gesehen hatte. Die Leute erzählten dem Reporter, sie hätten »keine andere Wahl gehabt«, als bei Lebensgefahr Auto zu fahren, da sie ja schließlich essen, also ein Restaurant aufsuchen mussten. Wie so viele Amerikaner kochten sie nicht selbst.
    Unter lebensgefährlich und Notfall versteht eben jeder etwas anderes.
    Joanne schiebt die zerknüllten Laken beiseite und versucht zaghaft aufzustehen. Sie schläft wie in einem Kokon, denn sie zieht die Daunendecke um sich und zwischen ihren Beinen durch. So wird ihr warm, ohne dass ihre Beine aneinanderkleben.
    Sie rollt sich auf den Rücken und fährt mit den Fingern die Unterkante ihres Schlaf-BHs ab. Seit sie fünfzehn Jahre alt ist, braucht sie nachts einen BH; sie kann es kaum erwarten, ihn loszuwerden.
    Im Erdgeschoss klappert jemand herum. Normalerweise ist Jackie um diese Zeit schon weg; sie duscht um sechs und geht um halb sieben aus dem Haus, weil einige ihrer »Kunden« Hilfe beim Aufstehen benötigen. Vermutlich ist auch sie heute nicht so schnell aus dem Bett gekommen.
    Jackie schlief schon tief und fest, als Joanne gestern Abend nach Hause kam. Joanne hatte den Kopf zur Tür hereingestreckt, aber Jackies Schnarchen und Grunzen verrieten ihr, dass die Tante nach einer Flasche Mateus Rosé völlig besinnungslos war. Joanne hatte die leere Flasche im Müll gefunden.
    Vorsichtig tapst sie die Treppe hinunter ins Wohnzimmer, wo Jackie Marmeladentoast isst und die Nachrichten im Fernsehen verfolgt. Ihr kurzes, nasses Haar schimmert orange, ein verräterisches Zeichen dafür, dass sie es selbst blondiert. »Auto streikt«, sagt sie mit vollem Mund. »Ich brauche einen Mann, der es anschiebt.«
    Joanne erklärt ihr, hilfsbereite Männer seien zu dieser Jahreszeit Mangelware.
    Sie hat Jackie nichts von der

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