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Die Schuld einer Mutter

Die Schuld einer Mutter

Titel: Die Schuld einer Mutter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paula Daly
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Brustverkleinerung erzählt, weil … nun ja, sie weiß selbst nicht, warum, aber so ist es nun einmal. Als Jackie also sagt: »Da ist ein Brief für dich«, und in Richtung Wohnzimmertisch zeigt, »scheint privat und vertraulich zu sein«, hat Joanne keine überzeugende Antwort parat und sagt deswegen, es handele sich wohl um Kontoauszüge.
    »Der Poststempel ist aus Lancaster«, sagt Jackie und wirft ihr einen misstrauischen Blick zu. »Deine Kontoauszüge kommen wohl kaum aus Lancaster.«
    Joanne legt sich einen Finger an die Nase, aber weil Jackie diese Geste normalerweise auf die Palme bringt, verzieht sie sich schnell in die Küche, um Tee zu kochen.
    »Ich weiß, dass du was im Schilde führst«, ruft Jackie vom Sofa aus.
    Als das Wasser kocht, greift Joanne zum Handy. Sie fängt leise zu fluchen an, als sie sieht, dass es die ganze Zeit stummgeschaltet war. Sie hört ihre Nachrichten ab und rechnet, weil sie nicht erreichbar war, mit einem Tadel des DI. Stattdessen ist da nur eine einzige, verstümmelte Nachricht von dieser Frau aus Troutbeck, Lisa Kallisto.
    Es geht um irgendeinen Hund und um den Vergewaltiger.
    Lisa ist kaum zu verstehen, sie klingt hysterisch. Jackie im Nebenraum hat die Lautstärke des Fernsehers voll aufgedreht. Joanne muss sich ein Ohr zuhalten, um überhaupt zu verstehen, was Lisa Kallisto sagt. Sie wird sie gleich zurückrufen, nach einem Schluck Tee, wenn sie wach genug ist, ein vernünftiges Gespräch zu führen.
    »Da ist noch ein Mädchen verschwunden«, ruft Jackie aus dem Wohnzimmer.
    Joanne drückt den Teebeutel am Rand des Bechers mit einem Löffel aus. Weil er immer noch nicht stark genug ist, hängt sie Jackies benutzten Teebeutel dazu. »Ja, seit gestern«, ruft sie zurück. »Deswegen bin ich so spät nach Hause gekommen. Der Druck ist wirklich enorm – wir brauchen dringend eine Spur.«
    »Du hast Nanna verpasst.«
    Jeden Mittwochabend besuchen sie Nanna im Pflegeheim. Genau genommen ist sie Joannes Oma und Jackies Mutter. Aber auch Jackie nennt sie immer nur Nanna . Vielleicht, weil ihr Sohn damals noch klein und es für ihn weniger verwirrend war, die Oma unter nur einem Namen zu kennen.
    »Wie geht es ihr?«, fragt Joanne, als sie ins Wohnzimmer kommt und dabei mit einem Fuß am Läufer hängen bleibt. Sie verschüttet etwas Tee auf dem Fußboden.
    »Wie immer. Sie tut so, als würde sie mich nicht erkennen.«
    Ein alter Trick von Nanna, wenn sie Besuch bekommt, aber lieber fernsehen würde.
    Joanne und Jackie haben gelernt, es zu ignorieren.
    »Braucht sie irgendwas?«, fragt Joanne, »hat sie noch genug Puder?«
    »Sie könnte ein neues Paar Hausschuhe gebrauchen. Du könntest ihr welche mitbringen, wenn du das nächste Mal bei Marks bist. Größe sechsunddreißig. Außerdem schuldest du mir zwölf Pfund für den Friseur. Letzte Woche hat sie sich eine Dauerwelle machen lassen.«
    Die Extraausgaben teilen Joanne und Jackie untereinander auf. Eigentlich sollte sich auch Joannes Mutter daran beteiligen, aber da sie seit vier Jahren auf Lanzarote lebt, haben die beiden es aufgegeben, sie überreden zu wollen. Gott sei Dank übernimmt der Staat die Kosten für das Pflegeheim, sagt Joanne sich dankbar. Vierhundert Pfund in der Woche könnten Jackie und sie nie im Leben aufbringen, und die einzige Alternative wäre, Nanna zu Hause zu pflegen – undenkbar.
    Jackie hört zu kauen auf und wirft Joanne einen neugierigen Blick zu. »Dann wirst du dir also die Brüste verkleinern lassen?«
    Joanne verdreht die Augen und seufzt. »Dir entgeht wohl nichts.«
    »Silvia sagt, sie hat dich am Dienstag beim Arzt gesehen, und da du mir nichts davon erzählt hast, vermute ich, dass das der Grund war.«
    »Er hat mich an einen Spezialisten verwiesen. Ich habe erst nach Weihnachten einen Termin.«
    »Was für eine blödsinnige Idee.«
    »Deiner Meinung nach.«
    »Das ist keine Meinung, sondern eine Tatsache.«
    Joanne schweigt. Sie kennt Jackies Meinung in dieser Frage nur allzu gut. Sie hat keine Lust, das Thema schon wieder zu diskutieren.
    Das Handy fängt in der Tasche von Joannes Morgenmantel zu vibrieren an. Sie zieht es heraus und wirft einen Blick aufs Display.
    Ron Quigley.
    »Joanne«, keucht er mit pfeifendem Atem, als wäre er die Treppen zur Wache hochgerannt, »komm sofort nach Troutbeck, Schätzchen. Die Riverty hat versucht, sich das Leben zu nehmen.«

28
    Z eit ist relativ, sagt man.
    Die Zeit vergeht langsam, wenn man auf die Geburt seines Kindes wartet und erst in

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