Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Schuld einer Mutter

Die Schuld einer Mutter

Titel: Die Schuld einer Mutter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paula Daly
Vom Netzwerk:
Was zum Teufel soll ich denn machen? Ich muss ihr von diesem Typen von gestern erzählen, vielleicht ist das ein wichtiger Hinweis, und …«
    »Dann sei vorsichtig«, unterbricht er mich in aggressivem Tonfall.
    »Was soll das nun schon wieder heißen? Wieso soll ich vorsichtig sein?«
    »Versuch einfach, den Überblick zu behalten. Sonst ist es beim nächsten Mal vielleicht deine Tochter, die verschwindet.«
    Vierzig Minuten später, und nachdem ich mein Auto mühevoll von einer dicken Eisschicht befreit habe, bin ich auf dem Weg zu Kates Haus am anderen Ende des Tals.
    Meine Autoreifen knirschen auf dem Kies, als ich bergauf fahre. Ich gerate zweimal ins Schlingern, kann den Wagen aber immer wieder fangen; ehrlich gesagt habe ich es so eilig, dass es mir egal ist, ob meine Stoßstange an irgendeinem dekorativen Mäuerchen oder in einer penibel getrimmten Hecke landet. Ich sitze wie auf heißen Kohlen und kann es gar nicht erwarten, Kate zu sagen, was ich weiß. Ich habe das Gefühl, dass sie mit der Beschreibung des Mannes, der Bluey mitgenommen hat, etwas anfangen kann; ich will mir nicht zu große Hoffnungen machen, aber auf einmal sehe ich eine Möglichkeit, Lucinda zu retten.
    Ich erlaube mir nicht zu denken, sie könnte nicht mehr am Leben sein. Denn jetzt, das glaube ich von ganzem Herzen, braucht Kate mich. Ich muss stark sein. Ich darf nicht die Nerven verlieren, ihr zuliebe.
    Auf der Hügelkuppe teilt sich die Straße, und während ich nach links abbiege, wird mir klar, dass ich vielleicht die Chance bekommen habe, meinen Fehler auszubügeln. Wenn ich diejenige bin, die die Polizei zu Lucinda führt, dann werden Kate und Guy mir vielleicht irgendwann vergeben können, und dann …
    Ich erreiche die Einfahrt der Rivertys. Guys Audi ist nicht da.
    Unterhalb der Villa steht ihre große Doppelgarage. Wie bei vielen anderen Familien auch sind die Garagen der Rivertys so vollgestellt, dass für die Autos kein Platz mehr darin ist, und so parken Guy und Kate ihre Geländewagen davor. Kates Mitsubishi ist da, aber das Auto von Guy nicht.
    Wo ist er um diese Uhrzeit? Warum ist er nicht zu Hause?
    Ich lasse die Kupplung vorsichtig kommen und halte einen Fuß immer auf der Bremse, und langsam, ganz langsam, bringe ich mein Auto vor der Gartenpforte zum Stehen. Kate hat nicht auf meine SMS geantwortet, aber ich weiß, dass sie wach ist, weil im Erdgeschoss alle Lampen brennen.
    Selbstverständlich ist sie schon wach.
    Welche Mutter kann schlafen, wenn ihr Kind vermisst wird?
    Ich bleibe für einen Moment im Auto sitzen und schaue zum Haus hinauf. Ich kann hinter den Fenstern keine Bewegung sehen, aber mir fällt auf, dass die Lichter am Weihnachtsbaum brennen. Wahrscheinlich möchte Kate, dass Fergus zuliebe alles so aussieht wie immer.
    Der Baum im Erkerfenster ist wirklich hübsch. Die Rivertys machen es wie viele Familien und ziehen Anfang Dezember los, um den Baum gemeinsam auszusuchen. Man macht einen Ausflug draus und hält unterwegs an einem Landgasthof, um zu Mittag zu essen.
    Unser Weihnachtsbaum ist aus Plastik und liegt immer noch zerlegt im obersten Kleiderschrankfach.
    Mein Kleiderschrank lässt sich nie ganz schließen, und immer wieder sehe ich einen einzelnen Zweig dort oben heraushängen. Er erinnert mich an Weihnachten und weckt dunkle Vorahnungen, schon im Juni.
    Meine ganze Kindheit schien ein einziges, langes Warten auf Weihnachten zu sein. Mittlerweile verbringe ich sechs von zwölf Monaten damit, mich vor dem Fest zu fürchten. Es gibt einfach zu viel zu tun und nicht genug Zeit, um es zu tun. Ehrlich gesagt fühle ich mich wie eine Weihnachtsversagerin.
    Ich werfe einen Blick zu Kates Auto hinüber. Vielleicht hat Guy seins doch noch in der Garage untergebracht, um es morgens nicht freikratzen zu müssen. Ich habe eine halbe Ewigkeit dafür gebraucht.
    Ich steige aus und setze auf dem Gartenpfad einen Fuß zaghaft vor den anderen. Einmal habe ich irgendwo gelesen, die Schmierflüssigkeit in menschlichen Gelenken sei dreimal so glitschig wie Eis. Aber nicht wie dieses hier. Dieses Eis ist wie nichts, was ich je gesehen habe. Ich trage eine alte Skihose, die ich seinerzeit gekauft habe, um nach Andorra zu fahren, kurz bevor ich merkte, dass ich mit Sally schwanger war. Wir haben es niemals mehr in den Skiurlaub geschafft; ich nutze die Hose seither für winterliche Hundespaziergänge und bin gerade heute dankbar dafür. Wenn ich ausrutsche, wird wenigstens mein Hintern weich gepolstert

Weitere Kostenlose Bücher