Die Schuld einer Mutter
Lucinda nicht verschwunden wäre, und das ist allein meine Schuld, Joe, und …«
Obwohl ich protestiere, geht mein Atem immer schneller.
»Ich brauche das jetzt, Baby«, sagt er und zieht mich fester an sich, und das Handtuch rutscht zu Boden. Er lässt seine Zunge zwischen meine Lippen gleiten. Ich presse mich an ihn.
»Okay«, sage ich. »Okay, aber wir müssen uns beeilen.«
»In Ordnung«, antwortet er und öffnet seinen Gürtel, »das schaffen wir.«
Er dreht mich um, sodass ich vor der Badewanne stehe. Er hebt mein rechtes Bein an, und ich stütze es auf den Wannenrand, und weil ich weiß, dass ich für diese Stellung eigentlich nicht groß genug bin, schiebe ich meinen linken Fuß auf die verstärkte Kappe seines Arbeitsstiefels.
Ich spüre ihn in mir und seufze. Ich stöhne auf und lasse mich gegen seinen Oberkörper sinken. Die Erleichterung ist überwältigend, und ich wimmere, während er mich festhält. Gott sei Dank will er mich noch. Gott sei Dank will Joe mich noch, trotz allem, was ich ihm angetan habe.
Später kommt mir der Gedanke, dass ich aus einem gewissen Abstand aussehen muss wie ein Kind, ein kleines Kind, das sich zum Tanzen auf die Schuhe eines Erwachsenen gestellt hat.
Na ja, so ähnlich.
Mit zittrigen Knien gehe ich die Treppe hinunter. Ich fühle mich, als hätte ich zwei Stunden Krafttraining im Fitnessstudio hinter mir. Das Telefon klingelt. Ich bin erst am Apparat, als der Anrufbeantworter anspringt: »Hallo, wir sind leider nicht zu Hause, aber wenn Sie …«
»Hallo?«, keuche ich in die Muschel. »Ich bin da …«
»Lisa, ich habe es im Tierheim versucht, aber die sagen, du bist noch nicht da.«
Meine Mutter.
Sie ruft mich nicht auf dem Handy an, weil das zu teuer wäre. Lieber telefoniert sie in der Gegend herum und stöbert mich auf, als zwanzig Pence pro Minute an die British Telecom zu bezahlen.
»Ich bin spät dran, weil …«
»Ist doch nicht so wichtig«, fällt sie mir ins Wort. »Hast du schon gehört? Die haben Guy Riverty verhaftet, und …«
»Wie bitte?«
Sie wiederholt es langsam und betont, als wäre die Verbindung schlecht. »Die … haben …«
»Ja ja, ich habe schon verstanden. Warum? Warum haben sie ihn verhaftet?«
Sie zieht an ihrer Zigarette. Ihre Stimme klingt gepresst, weil sie den Qualm ausatmet und gleichzeitig spricht. »Das weiß ich nicht. Marjorie Clayton hat gerade bei den Nachbarn gegenüber ein Schwein ausgeliefert und gesehen, wie sie ihn abgeführt haben. Wenn ich raten müsste, würde ich sagen, es hat mit dem Verschwinden seiner Tochter zu tun.«
»Nein, das kann nicht sein, ich …«
Wieder unterbricht sie mich, gerade als ich ihr erzählen will, wie ich Kate heute Morgen gefunden habe. »Der Täter ist immer der Vater«, sagt sie triumphierend. »Ich verstehe nicht, warum die Polizei ihn nicht von Anfang an im Visier hatte, anstatt wertvolle Zeit zu verschwenden, wo sie doch ihre Arbeit …« Ihre Stimme verliert sich.
Sie hat keine Ahnung, worin die Arbeit der Polizei besteht. Was sie nicht daran hindert, eine Meinung zu haben.
»Du lieber Himmel«, sage ich. Dann höre ich Joe die Treppe herunterkommen.
»Was ist denn passiert?«, flüstert er und knöpft sich die Hose zu. Er hat diesen verträumten Ausdruck tiefster Zufriedenheit, wie man ihn nur nach dem Sex hat. Ich könnte ihn jetzt um alles bitten, er würde nachgeben. Egal, was es ist.
Meine Mutter ist mitten im Satz. »Eine Sekunde, Mum, Joe ist da« – ich lege die Hand über die Muschel. »Guy wurde verhaftet«, sage ich, und Joe zieht die Augenbrauen hoch.
Unterdessen sagt meine Mutter: »Joe? Was macht er um diese Uhrzeit zu Hause? Warum ist er nicht bei der Arbeit?«
»Ist er eben nicht«, sage ich ungeduldig. »Was hat Marjorie gesagt?«
Marjorie betreibt eine Farm in Troutbeck. Sie ist eine jener Frauen, die sich ständig darüber beschweren, wie schwer es die Bauern heutzutage haben, es sich aber gleichzeitig leisten können, einen nagelneuen Land Rover Discovery mit sieben Sitzen zu fahren. Sie und meine Mutter sind schon ein seltsames Paar. Meine Mutter, selbst wirklich immer knapp bei Kasse, scheint Marjorie ihre Klagen über das Leben in Armut tatsächlich abzukaufen.
Meine Mutter sagt: »Marjorie meint, Guy Riverty habe ziemlich aufgebracht ausgesehen.«
»Kein Wunder. Du lieber Himmel«, seufze ich kopfschüttelnd.
»Was ist denn?«, flüstert Joe.
Wieder bedecke ich den Hörer mit der Hand. »Er ist sauer«, flüstere ich, und Joe
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