Die Schuld wird nie vergehen
meinen Mazyck.« French spielte auf den Fall an, bei dem er von Amis Kanzlei damals als Gutachter beauftragt worden war. Gregory Mazyck war ein Vietnamveteran, der sich mit einer Geisel in seinem Haus verbarrikadiert hatte. Dr. French hatte ausgesagt, dass Mazyck unter einer posttraumatischen Belastungsstörung litt und glaubte, die Polizisten wären Iraker, und die Geisel wäre sein bester Freund, der während des Golfkrieges in seinen Armen gestorben war.
»Was wissen Sie über die Vorfälle bei dem Baseballspiel?«
»Nicht besonders viel.«
»Gut. Also, Daniel Morelli, mein Mandant, ist Schreiner. Sein genaues Alter kenne ich nicht, aber ich schätze ihn auf Ende Vierzig. Er reist in einem Pick-up durch die Lande und bleibt nie lange irgendwo. Manchmal haust er sogar eine Woche lang im Wald. Er hält sich mit merkwürdigen Jobs über Wasser und baut wunderschöne Möbel. Wir haben uns auf einer Kunsthandwerksmesse kennengelernt. Ich mochte ihn auf Anhieb. Mein Sohn hat ebenfalls sofort Vertrauen zu ihm gefasst. Ich habe nie erlebt, dass Dan zur Gewalttätigkeit neigte.«
Dann schilderte Ami dem Psychiater den Kampf.
»Ich habe ihn gefragt, warum er das Barney und dem Polizisten angetan hatte. Er meinte, er habe nicht nachgedacht, sondern seine Ausbildung habe einfach die Kontrolle über ihn gewonnen. Er schien diese Tat sehr zu bereuen und wirkte ziemlich niedergeschlagen. Er hat mir verraten, dass er in Vietnam in Gefangenschaft geraten ist. Mehr wollte er jedoch nicht darüber erzählen. Außerdem sagte er, dass er sich geschworen habe, nie wieder einen Menschen zu verletzen. Ich frage mich, ob dieser plötzliche Ausbruch von Gewalt möglicherweise mit seinen Erlebnissen in Vietnam zusammenhängen könnte.«
»Das ist durchaus möglich.«
»Ich habe mich an Ihr Gutachten erinnert. Sie sagten damals, dass nach einer Kampferfahrung diese posttraumatischen Belastungssymptome noch Jahre nach dem auslösenden Ereignis auftreten könnten. Ich möchte, dass Sie mit Dan reden und mir sagen, was Sie von ihm halten.«
»Einverstanden.« »Allerdings gibt es da noch etwas«, fuhr Ami fort. »Dans Ausweispapiere sind gefälscht, und die Polizei kann in keiner Datei seine Fingerabdrücke finden.«
»Das ist sehr interessant. Seine Abdrücke wären gespeichert, wenn er beim Militär gewesen wäre.« Dr. French stand auf. »Ich überprüfe mal kurz meine Termine.«
Er ging zu seinem Schreibtisch und sprach über die Gegensprechanlage mit seiner Sprechstundenhilfe.
»Einer meiner Patienten hat für heute Nachmittag abgesagt«, erklärte er Ami einen Moment später. »Passt Ihnen fünfzehn Uhr?«
Morelli saß aufrecht im Bett, als der Wachposten Ami und Dr. French in sein Zimmer ließ. Der Schlauch und die Flasche mit der intravenösen Lösung waren verschwunden, und auch sein Gesicht hatte wieder etwas Farbe bekommen.
»Sie sehen schon viel besser aus«, begrüßte Ami ihn.
Morelli achtete jedoch nur Augen auf Amis Begleiter.
»Wer ist Ihr Begleiter?«
»Das ist George French. Ein Psychiater.«
Morelli lächelte ironisch. »So wollen Sie mich verteidigen? Sie plädieren auf Unzurechnungsfähigkeit? Ich kann Ihnen eine Menge Ärger ersparen, Ami. Das funktioniert nicht. Ich bin geistig kerngesund.«
»Man muss nicht verrückt sein, um auf Unzurechnungsfähigkeit zu plädieren. Dr. French möchte Ihnen nur ein paar Fragen stellen.«
»Ist das Gespräch vertraulich? Bleibt das unter uns?«
»Ja«, versicherte Ami.
Morelli deutete auf die Stühle an der Wand. »Herzlich willkommen. Ich habe ohnehin nichts Besseres vor.« Ami und der Arzt zogen die Stühle zum Bett hinüber. Dr. French legte einen Notizblock auf seinen Schoß und schrieb etwas darauf.
»Darf ich Sie Dan nennen?«
»Sie dürfen mich nennen, wie Sie wollen, solange Sie nicht behaupten, ich käme zu spät zum Abendessen«, spöttelte Morelli. Offenbar wollte er damit zeigen, dass er diese Befragung nicht allzu ernst nahm.
French lachte. »Ich würde zunächst gern ein paar Hintergrundinformationen sammeln, bevor wir auf die Vorfälle auf dem Baseballfeld zu sprechen kommen, einverstanden?«
Die Frage bereitete Morelli zwar sichtlich Unbehagen, aber er nickte dennoch.
»Gut. Fangen wir mit dem Einfachsten an. Wo sind Sie aufgewachsen?«
»In Kalifornien.«
»Wo in Kalifornien?«
»San Diego.«
Morelli hatte Ami erzählt, er sei als Sohn eines Militärs ständig umgezogen. Was er jetzt Dr. French sagte, klang ganz anders.
»Haben Sie
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