Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Schuld wird nie vergehen

Die Schuld wird nie vergehen

Titel: Die Schuld wird nie vergehen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Phillip Margolin
Vom Netzwerk:
können? Ami sah auf die Uhr. Es war Zeit, ihren Sohn von der Schule abzuholen.
    Ryan wartete bereits auf sie, als Ami am Bürgersteig anhielt. Er wirkte erschöpft und war einsilbig, als er neben sie auf den Beifahrersitz rutschte.
    »Wie war die Schule?« fragte Ami, während sie sich in den Verkehr einfädelte.
    »Okay«, murmelte Ryan.
    »Ich habe Dan heute im Krankenhaus besucht.«
    Ryan sah sie erwartungsvoll an.
    »Er lässt dir Grüße ausrichten. Er ist schon wieder ganz okay.«
    »Wirklich?«
    »Als ich bei ihm war, saß er schon im Bett und konnte sich mit mir unterhalten.« »Kommt er wieder nach Hause?« Ryans Blick verriet seine Hoffnung.
    »Nein, Ryan. Er hat Mr. Lutz verletzt und diesen Polizisten, also muss er im Gefängnis bleiben und seine Strafe absitzen.«
    »Und danach? Kann er dann nach Hause kommen?« »Das ist noch lange hin. Warten wir ab, was passiert.« Ryan ließ die Schultern hängen und senkte den Blick. Ami fühlte sich elend. Sie wusste nicht, was mit Dan geschehen würde. Er hatte zwar versucht, Ben Branton zu beschützen, als er Barney Lutz verletzte, und er hatte wirklich nicht wissen können, dass es ein Polizist war, der ihn von hinten packte und den er verletzen würde. Vielleicht würde ein guter Strafverteidiger eine Bewährung herausholen oder zumindest eine milde Strafe. Doch selbst wenn er auf Bewährung freikam, würde er bestimmt weggehen, davon war Ami überzeugt. Er hatte keine Wurzeln in Portland. Genau genommen schien er nirgendwo Wurzeln zu haben.
    Ihr fiel ein, dass es das Problem seines zukünftigen Verteidigers war, das Rätsel um Daniel Morelli zu lösen, nicht ihres. Morgen würde sie ihre Anwaltsfreunde um eine Empfehlung bitten. Wenn sie einen guten Strafverteidiger gefunden hatte, konnte sie Vanessa den Namen geben

9. KAPITEL
    Dr. George French war Ende Fünfzig und etwas übergewichtig, aber sein maßgeschneiderter Anzug kaschierte vorzüglich seinen Bauch. Frenchs graugrüne Augen funkelten hinter dem Titangestell einer teuren Gleitsichtbrille. Er war blass, und sein Ziegenbart war ebenso graumeliert wie der schmale Haarkranz um seinen kahlen Schädel. Als French in das Wartezimmer trat, legte Ami Vergano das Magazin weg, in dem sie geblättert hatte.
    »Sie sehen gut aus«, erklärte der Psychiater und lächelte Ami gewinnend an.
    Ami erwiderte sein Lächeln. »Danke, dass Sie mich so kurzfristig empfangen haben.«
    »Reden wir in meinem Behandlungszimmer weiter. Möchten Sie einen Kaffee?«
    »Sehr gerne.«
    Auf dem Weg zu Dr. Frenchs Praxisraum kamen sie an einer kleinen Küche vorbei. Der Arzt ging kurz hinein und schenkte zwei Becher voll, bevor er Ami zu seinem Praxisraum führte.
    »Tut mir leid, dass Ihre Kanzlei aufgelöst wurde.«
    »Mir auch.«
    »Das muss ein ziemlicher Schock für Sie gewesen sein.«
    Ami zuckte mit den Schultern. »Die Mitarbeiter wussten nicht, wie ihnen geschah. Eines Morgens haben die Partner uns in ein Konferenzzimmer bestellt, und das war's.«
    »Sie machen jetzt allein weiter?«
    »Ja.« Es war ihr peinlich, dass sie vom Olymp der Juristerei in die Niederungen einer einsamen Winkeladvokatin gesunken war. »Ich komme gerade so zurecht. Meistens vertrete ich Scheidungen, verfasse Testamente oder setze Verträge auf. Ich arbeite mit einer kleinen Kanzlei zusammen, die gelegentlich Aufträge an mich weitergibt. Wenn Microsoft oder Nike Sie nach einem guten Anwalt fragen, würde ich Ihre Empfehlung sehr zu schätzen wissen.«
    Dr. French lachte, trat zur Seite und bat Ami in sein Behandlungszimmer. Vor einer pastellblau gestrichenen Wand stand eine burgunderfarbene Ledercouch. Darüber hingen einige sonnige Kunstdrucke. Aus dem hellen Panoramafenster auf der anderen Seite hatte man einen schönen Blick auf die Skyline. Der Psychiater schloss die Tür und führte Ami zu einem der beiden Stühle aus Chrom und Leder, die einen niedrigen, gläsernen Couchtisch flankierten. Er setzte sich.
    »Ich hätte da jemanden, den ich Ihnen gern vorstellen würde«, erzählte Ami dem Arzt.
    »Ein Mandant in einer Scheidungsangelegenheit?«
    »Nein. Es geht um einen Fall, der in letzter Zeit viel Schlagzeilen macht. Haben Sie von der Schießerei bei diesem Baseballspiel gehört?«
    »Wer hat das nicht?«
    »Mein Sohn spielt in einem der Teams, und der Mann, der verhaftet wurde, war mein Untermieter. Über ihn möchte ich mit Ihnen reden.«
    »Warum mit mir?«
    »Sie sind doch Experte für posttraumatische Belastungssyndrome.«
    »Ah, Sie

Weitere Kostenlose Bücher