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Die Schuld wird nie vergehen

Die Schuld wird nie vergehen

Titel: Die Schuld wird nie vergehen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Phillip Margolin
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Vanessa Wingate in dieselbe Klasse gingen, hätten sie auf verschiedenen Kontinenten leben können
    Vanessa war reich, wunderschön und die Hauptfigur in Carls glühendsten sexuellen Phantasien.
    Sie gehörte zu einer Clique, welche die neuesten und schnellsten Wagen fuhr, die coolste Kleidung trug und die neuesten Marotten drauf hatte, bevor der Rest von Amerika auch nur von ihrer Existenz erfuhr. Carl war Stipendiat, Einzelgänger und kaufte seine Kleidung bei Woolworth von der Stange. Zwei Stunden mit Vanessa verbringen zu dürfen, selbst wenn sie nur Mathe übten, war die Erhörung seiner innigsten Gebete.
    Carl fiel es schwer, sich im Unterricht zu konzentrieren. Er war eine Viertelstunde zu früh in der Bibliothek. Sein Puls beschleunigte sich jedes Mal, wenn die Tür aufging. Nach einigen Minuten quälenden Wartens gestand Carl sich ein, dass er ein Narr gewesen war. Vanessa würde nicht auftauchen. Sie hatte viele Freunde und viel zu tun. Er konnte sich nicht vorstellen, dass sie einen Spaß versäumte, um mit ihm zu büffeln. Er wollte seine Bücher schon wieder einsammeln, als er sie am Empfangstisch stehen sah. Sie winkte ihm zu.
    Die Schulbibliothek war ein großes Steingebäude, das mit der Spende eines Eisenbahnbarons Anfang des zwanzigsten Jahrhunderts errichtet worden war. Carl führte Vanessa nach unten zu einem Tisch auf der Rückseite des Untergeschosses, wo er beinahe jeden Abend an seinen Hausaufgaben saß. Hier war es zwar etwas dämmrig, aber Carl mochte den Platz, weil sich nur wenige Studenten hierher verirrten.
    Es überraschte Carl, dass Vanessa tatsächlich Hilfe in Differentialrechnung wollte. Er hatte sie nie für eine sehr fleißige Schülerin gehalten. Andererseits wusste er nicht viel über sie. Und nun konnte er erfreut feststellen, dass sie seine Erklärungen problemlos verstand, jedenfalls nachdem er einige grundlegende Missverständnisse ausgeräumt hatte. Sie waren gerade so richtig in den Stoff vertieft, als ein langer Schatten über die Tischplatte fiel. Carl blickte hoch. Sandy Rhodes und Mike Manchester beugten sich über sie. Mike und Sandy gehörten zum Footballteam. Beide Jungen waren gut in Form. Carl hatte von irgend-wem gehört, dass Vanessa und Sandy miteinander gingen.
    »He, Vanessa, was liegt an? Wollten wir nicht ausgehen?«
    Sandy schien sich zu ärgern, dass Vanessa für die Schule arbeitete.
    »Ich wollte es dir sagen, aber ich konnte dich nicht finden.«
    »Jetzt bin ich ja da. Gehen wir!«
    Vanessa lächelte entschuldigend. »Ich kann nicht. Ich muss das wirklich lernen.«
    Sandy nahm von Carl keinerlei Notiz und schien auch Vanessas Ablehnung nicht akzeptieren zu wollen.
    »Komm schon! Es ist Freitagabend. Alle warten auf uns.«
    Vanessas Lächeln gefror. »Ich lerne, Sandy. Ich gehe heute nicht aus.«
    »Blödsinn.« Sandy schlug ihr Buch zu und packte grob ihren Oberarm.
    Carls Vater hatte Evelyn Rice verlassen, als Carl fünf Jahre alt war. Er wurde immer noch von Alpträumen mit den Wutausbrüchen seines Vaters und den Schmerzensschreien seiner Mutter heimgesucht. Der Anblick des geschwollenen Gesichts seiner Mutter hatte sich tief in sein Gedächtnis eingebrannt.
    »Lass Vanessa los!« sagte Carl. Er klang etwas schüchtern, was angesichts der Umstände verständlich war. Carl war zwar drahtig und topfit, aber die beiden Footballspieler waren jeder einen halben Kopf größer als er.
    Sandy ließ Vanessas Arm nicht los, sondern warf Carl einen Blick zu, mit dem er zweifellos auch Hundekot unter seinem Schuh betrachtet hätte.
    »Steck deine Nase wieder in dein Buch, sonst breche ich sie dir!« Als Sandy sich wieder auf Vanessa konzentrierte, verpasste Carl ihm einen Faustschlag auf den Solarplexus. Dem Footballspieler blieb die Luft weg. Dann packte Carl den Schlips, den alle Schüler von St. Martins tragen mussten, und riss Sandys Kopf so heftig herunter, dass dessen Kinn auf den Tisch krachte. Ohnmächtig sackte der Junge zusammen.
    Mike Manchester war vor Überraschung zunächst wie gelähmt, aber das Geräusch, mit dem das Kinn seines Freundes gegen den Tisch krachte, riss ihn aus seiner Trance. Er holte zu einem mächtigen Schwinger aus. Carl stieß sein dickes Mathematikbuch vor. Das Geräusch, mit dem Mikes Knöchel brach, klang wie ein Schuss. Als er schmerzerfüllt zurückzuckte, schwang Carl sein Buch wie einen Baseballschläger und erwischte Mike am Hinterkopf. Der Schlag zwang ihn in die Knie. Carl trat hinter ihn und schnürte Mike mit einem

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