Die Schuld wird nie vergehen
Würgegriff die Luft ab.
»Ich will nicht mit euch kämpfen. Sind wir jetzt quitt?« fragte Carl den Jungen, der sich heftig wehrte.
Mike versuchte, Carls Arm wegzudrücken, doch Carl verstärkte seinen Griff. Mittlerweile war Sandy wieder zu sich gekommen und rappelte sich mühsam hoch. Carl ließ den kraftlosen Mike zu Boden sinken und verpasste Sandy einen harten Fußtritt gegen das Kinn. Sandy brach neben seinem Freund zusammen.
»Heilige Scheiße!« Vanessa sprang auf. »Du musst hier weg! Die werden stinksauer sein, wenn sie wieder zu sich kommen.«
»Ich hab keinen Wagen«, gab Carl zu. Es war ihm peinlich, Vanessa zu erzählen, dass seine Mutter ihn von der Schule abholte.
»Ich habe meinen Wagen dabei. Gehen wir!« befahl sie, während sie bereits ihre Schulbücher einsammelte. Carl zögerte, und Mike Manchester stöhnte. Vanessa packte Carl am Arm. »Mach schon!« »Wird Sandy nicht genervt sein, weil du mir hilfst?«
»Sandy ist ein Schwein. Wir sind erst dreimal ausgegangen,
und er tut schon so, als gehörte ich ihm. Ich bin froh, dass du es
ihm gezeigt hast.«
Drei Minuten später saß Carl auf dem Beifahrersitz von Vanessas Corvette, die über die Küstenstraße raste.
»Das eben war ziemlich beeindruckend«, sagte Vanessa.
»Wo hast du so zu kämpfen gelernt?«
Carl fühlte sich nicht besonders wohl wegen der Prügel, die er ausgeteilt hatte, aber er konnte es einfach nicht ertragen, wenn ein Mann einer Frau Schmerz zufügte. So ähnlich hatte auch sein Vater seine Mutter misshandelt.
»Ich habe von klein auf Karate gelernt. Ich trainiere jeden Tag nach der Schule in einem Dojo.«
Vanessa sah ihn von der Seite an. Das Verdeck der Corvette war offen. Der Fahrtwind wehte durch ihr langes blondes Haar.
»In dir steckt mehr, als man auf den ersten Blick sieht, Carl Rice«, sagte sie, bevor sie wieder auf die Straße sah.
Carl errötete. »Wohin fahren wir?« fragte er, um seine Verlegenheit zu überspielen.
»Zu mir nach Hause.«
Sie fuhren eine Weile schweigend weiter. Carl warf verstohlene Seitenblicke auf Vanessa, während er so tat, als betrachte er den Ozean. Sie war so wunderschön, und er konnte nicht glauben, dass er hier neben ihr in diesem beeindruckenden Wagen saß.
»Du hast ein Stipendium, stimmt's?« fragte Vanessa.
Carl errötete wieder und nickte. Evelyn Rice war hochintelligent, aber ihr Mann hatte ihr nie erlaubt, zu arbeiten oder ihr Studium zu beenden. Als Carls Vater aus ihrem Leben verschwand, hatte seine Mutter sich in einer Volkshochschule eingeschrieben. Sie hatte ihren Abschluss mit der Bestnote in Buchführung absolviert und war als Empfangsdame in der örtlichen Niederlassung einer großen Steuerberatung eingestellt worden. Nachdem sie schließlich sogar ihr Diplom gemacht hatte, stieg sie bis zur Büromanagerin auf. Einer der Partner der Firma war ein Ehemaliger von St. Martins, der Carl dort zu einem Stipendium verholfen hatte.
»Ich beneide dich«, erklärte Vanessa.
»Warum sollte mich jemand beneiden?« erwiderte er ungläubig. Fast alle Studenten auf St. Martins kamen aus wohlhabenden Familien. Er konnte sich nicht einmal vorstellen, warum eine Frau wie Vanessa sich für jemanden wie ihn interessieren, geschweige denn, warum sie ihn beneiden sollte.
»Niemand schenkt dir etwas«, antwortete sie. »Du erreichst das, was du hast, mit deinem Verstand und deinem Ehrgeiz.«
»Das musste ich nur, weil ich arm bin, Vanessa. Glaube mir, das ist nicht romantisch.«
»Das ist das Leben mit meinem Vater auch nicht.«
»Wenigstens hast du einen Vater. Meiner hat uns verlassen, als ich fünf war.«
»Aber er hat deine Mutter nicht ermordet, oder?«
»Was?« Carl hielt das für einen Witz. »Was redest du da?«
»Meine Mutter ist bei einem Autounfall ums Leben gekommen, als ich dreizehn war. Ich bin sicher, dass es kein Unfall war.«
»Hast du das der Polizei erzählt?«
»Die haben mir nicht geglaubt. Und die Versicherungsdetektive auch nicht. Ich kann es ihnen nicht verübeln, denn ich hatte keine Beweise. Ich weiß einfach nur, wie dieser Mistkerl vorgeht. Er glaubt, er steht über dem Gesetz. Auf jeden Fall kennt er Leute, die einen Mord wie einen Unfall aussehen lassen können.« Carl wusste nicht, was er darauf sagen sollte. »Hast du das dem FBI erzählt?«
Vanessa lachte höhnisch auf. »Ich hatte ihr Büro gerade zehn Minuten verlassen, als jemand meinen Vater anrief. Der General hat mich in die Bibliothek unseres Hauses bestellt und mir gedroht,
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