Die Schuld wird nie vergehen
neu anfangen, doch fast alles, was ich dir erzählt habe, war gelogen. Dann haben sie mir einen neuen Auftrag gegeben. Es war schlimm, sehr schlimm. Ich will aufhören. Ich kann das nicht mehr machen.«
»Was hast du gemacht?«
»Ich bin nach Texas geflogen. Dort lebte eine Chinesin. Ihre Eltern sind nach Amerika eingewandert, als sie neun war. Sie hat an einem streng geheimen Projekt gearbeitet. Was es war, weiß ich nicht.« Vanessa registrierte, dass Carl von der Frau in der Vergangenheit sprach. »Man sagte mir, sie sei eine sehr gefährliche Spionin, die Geheimnisse an die Chinesen verriet. Die Chinesen hätten sie angeheuert. Sie sei eine Bedrohung für unser Land.« »Und du ... ?«
Carl zwang sich dazu, Vanessa anzusehen. Er hatte sich geschworen, ihr alles zu erzählen, und wollte nicht kneifen.
»Ich habe ihr in die Augen geschossen. Sie hat geschlafen. Ich bin in ihr Haus eingebrochen und habe sie beide getötet.«
»Da war noch jemand?«
Carl nickte. Seine Stimme brach. »Ihr Ehemann. Er war Captain in der Armee.«
»War er auch ein Spion?«
Carl schüttelte langsam den Kopf. »Sie sind sich nicht sicher, aber sie konnten das Risiko nicht eingehen, dass er mit ihr zusammenarbeitete. Das hat man mir jedenfalls erzählt.«
Carl brach in Tränen aus. »Er war ein Amerikaner, Vanessa. Vielleicht war er vollkommen unschuldig. Er war Captain, genau wie ich.«
»Captain? Du hast mir erzählt, du seiest Sergeant.«
»Das ist meine Tarnung. Genau wie mein Job an der Sprachenschule. Mein ganzes Leben ist eine Lüge.«
Carl ließ den Kopf sinken, schlug die Hände vor sein Gesicht und schluchzte. Was er Vanessa erzählt hatte, entsetzte sie, und sie brachte es nicht fertig, ihn zu trösten.
»Mein Vater hat dir deine Befehle gegeben?«
»Ich habe mehr als zehn Jahre für ihn gearbeitet.«
Vanessa sah ihn verwirrt an. »Die AIDC sammelt Geheimdienstdaten. Sie haben keine Agenten, die so etwas tun, was du machst.«
»Haben sie wohl, Vanessa, aber nur eine Handvoll Menschen wissen über meine Einheit Bescheid.«
Carl erklärte ihr, was er gemacht hatte, seit er von dem General rekrutiert worden war. Mit jedem seiner Worte wurde Vanessa wütender
»Dieser Drecksack!« zischte sie, als Carl fertig war. Ihre Augen glänzten. »Ist dir klar, was passiert, wenn wir ihn bloßstellen?«
»Denk nicht mal an so etwas! Dein Vater ist ein sehr gefährlicher Mann. Ich habe keine Ahnung, wie weit er gehen würde, wenn er dich für eine Gefahr halten würde.«
»Willst du mir nicht helfen? Willst du nicht endlich aufhören, seine Marionette zu spielen?«
»Ich will aufhören, aber ich will nicht, dass du stirbst. Dein Vater wird uns umbringen, wenn er sich bedroht fühlt. Was du vorhast, ist unmöglich. Es gibt keinen konkreten Beweis, dass diese Einheit existiert. Der General würde es abstreiten, ebenso wie jeder andere, der mit dieser Operation in Verbindung steht. Und wenn du doch zufällig Beweise finden würdest, dass diese Einheit existiert, würdest du jeden in Gefahr bringen, der davon weiß. Für diese Leute ist Mord eine Methode, ein Problem zu lösen. Ich bin einer von ihnen, Vanessa. Wir denken so. Wenn du ein Problem hast, und ein Mord löst dieses Problem, dann mordest du eben.«
Vanessa schwieg einen Moment. Dann sah sie Carl an.
»Was willst du jetzt machen?«
»Ich will meinen Abschied nehmen. Ich will zur Ruhe kommen.«
»Wird mein Vater dich gehen lassen?«
»Das weiß ich nicht, aber ich muss ihn fragen.«
Vanessa dachte einen Moment nach. »Das könnte sehr gefährlich sein, Carl. Mein Vater hasst Schwäche. Du weißt einfach zu viel und kannst ihm sehr schaden. Sobald er erfährt, dass du aussteigen willst, wirst du selbst zu einem Problem, das er lösen muss.«
Carl starrte Vanessa trübe an. »Das interessiert mich nicht mehr. Ich muss aufhören. Wenn er mich gehen lässt, habe ich es hinter mir. Wenn er mich tötet, auch.« Er lachte. »So oder so, ich kann nur gewinnen.«
Carl rief Vanessa an dem Abend an, nachdem er seine Entscheidung getroffen hatte. Es lief nur ihr Anrufbeantworter. Er versuchte es noch einige Male, aber Vanessa nahm nicht ab. Am nächsten Tag versuchte Carl es bei ihrer Arbeit und erfuhr, dass sie nicht da war. Sie tauchte auch an ihrer Universität nicht auf. Carl fragte sich, ob Vanessas Wohnung abgehört wurde. War sie vielleicht seinetwegen umgebracht worden? Er fuhr zu ihrer Wohnung. Dort war alles dunkel. Er öffnete das Schloss und trat ein. Sie war
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