Die Schuld
Flohmarkt gut ausgesehen. Die Herausforderung für sie bestand darin, sich so nachlässig anzuziehen, dass ihre Kleidung nicht mit den blonden Haaren, den blaugrünen Augen, den hohen Wangenknochen und dem Rest ihrer perfekten Gesichtszüge konkurrierte.
Ihr richtiger Name war Ridal Petashnakol, was sie Clay zweimal buchstabieren musste, bis er es verstand. Zum Glück kamen Models - genau wie Fußballspieler - mit einem Namen aus, daher nannte sie sich einfach nur Ridley. Sie trank keinen Alkohol und wollte stattdessen Cranberrysaft haben. Clay hoffte, dass sie zum Essen nicht nur einen Teller Karotten bestellte.
Sie sah blendend aus, er war reich, aber da sie weder über Schönheit noch über Geld sprechen konnten, mussten sie sich einige Minuten abmühen, um ein unverfängliches Gesprächsthema zu finden. Ridley war Georgierin, keine Russin, und interessierte sich weder für Politik noch für Terrorismus noch für Football. Ah, Kinofilme! Sie sah sich jeden neuen Film an und war von allen begeistert, selbst von den schlechtesten Produktionen, die niemand sonst sehen wollte. Beim Publikum durchgefallene Filme wurden von Ridley heiß geliebt. Langsam kamen Clay Zweifel.
Sie ist nur Dekoration, sagte er zu sich. Dieses Abendessen, später Rebeccas Hochzeit, und das war's.
Ridley beherrschte fünf Sprachen, aber da die meisten davon in Osteuropa gesprochen wurden, waren sie für eine Karriere in den Staaten ziemlich nutzlos. Zu Clays großer Erleichterung bestellte sie eine Vorspeise, eine Hauptspeise und ein Dessert. Immer wieder geriet ihre Unterhaltung ins Stocken, aber beide bemühten sich nach Kräften. Keiner von ihnen kannte sich in der Welt des anderen aus. Der Anwalt in ihm verlangte eine gründliche Befragung der Zeugin: richtiger Name, Alter, Blutgruppe, Beruf des Vaters, Gehalt, Familienstand, Sexualleben - stimmt es, dass du bisexuell bist? Aber es gelang ihm, seine Neugier im Zaum zu halten. Ein- oder zweimal versuchte er es mit einer etwas persönlicheren Frage, doch da er keine Antwort bekam, brachte er das Gespräch wieder auf Kinofilme. Ridley kannte jeden zwanzigjährigen, zweitklassigen Schauspieler und wusste, mit wem er gerade zusammen war entsetzlich langweiliger Gesprächsstoff, aber vermutlich auch nicht langweiliger, als wenn eine Horde Anwälte über ihre letzten gewonnenen Prozesse oder Entschädigungszahlungen für Umweltdelikte sprach.
Clay leerte sein Glas und wurde allmählich etwas lockerer. Der Wein war ein roter Burgunder. Patton French wäre stolz auf ihn gewesen. Seine neuen Freunde vom Ausschuss wären vor Neid geplatzt, wenn sie ihn jetzt hätten sehen können, mit dieser Barbiepuppe an seinem Tisch.
Das einzig Negative an Ridley war dieses grässliche Gerücht. Er konnte sich einfach nicht vorstellen, dass sie auch mit Frauen ins Bett ging. Sie war zu perfekt, zu exquisit, zu attraktiv für das andere Geschlecht. Sie war geradezu prädestiniert, einen reichen Mann zu heiraten, der eine schöne, junge Frau an seiner Seite brauchte! Aber da war noch etwas, das ihn misstrauisch machte. Nachdem er sich von dem anfänglichen Schock über ihr Aussehen erholt hatte - wozu er mindestens zwei Stunden und eine Flasche Wein brauchte -, stellte Clay fest, dass er bei Ridley einfach nicht unter die Oberfläche kam. Entweder war dort nicht viel vorhanden, oder sie tat alles, um ihn davon fern zu halten.
Beim Dessert - einer Schokoladenmousse, mit der sie nur herumspielte, ohne sie zu essen - lud er sie zu dem Empfang nach der Hochzeit ein. Er gestand zwar ehrlich ein, dass er mit der Braut einmal zusammen gewesen war, aber er log, als er sagte, sie seien inzwischen gute Freunde. Ridley zuckte mit den Achseln, als würde sie lieber ins Kino gehen. »Warum nicht?«, sagte sie.
Als er in die Auffahrt des Potomac Country Club bog, wurde Clay von Erinnerungen übermannt. Sein letzter Besuch an diesem elenden Ort - das peinliche Abendessen mit Rebeccas Eltern - lag über sieben Monate zurück. Damals hatte er seinen alten Honda hinter den Tennisplätzen versteckt. Jetzt fuhr er mit einem neuen Porsche Carrera vor. Damals hatte er seinen Wagen nicht von den Angestellten parken lassen, um Geld zu sparen. Jetzt würde er dem Jungen, der ihm den Wagenschlüssel abnahm, ein besonders großzügiges Trinkgeld geben. Damals war er allein gewesen und hatte sich vor dem Essen mit den van Horns gefürchtet. Jetzt wurde er von der atemberaubend aussehenden Ridley begleitet, die ihn untergehakt hatte
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