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Die Schuld

Titel: Die Schuld Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Grisham
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Jonah, Paulette und Rodney immer seltener in die Kanzlei.
    Auch Clay war kaum noch da. Die Arbeit in der Kanzlei litt unter der angespannten Atmosphäre. Viele Dyloft-Mandanten waren mit ihrer dürftigen Entschädigung mehr als unzufrieden. Drohbriefe gingen ein. Klingelnden Telefonen auszuweichen hatte sich zu einer Art Sport entwickelt. Nachdem es mehreren Mandanten gelungen war, die Adresse der Kanzlei ausfindig zu machen, waren sie ins Büro gekommen und hatten von Miss Glick verlangt, mit Mr Carter sprechen zu dürfen, der aber zufällig immer mit einem großen Prozess beschäftigt und verreist war. Meistens versteckte er sich bei verriegelter Tür in seinem Büro und wartete, bis der Sturm sich wieder gelegt hatte. Nach einem besonders harten Tag rief er bei Patton French an und fragte ihn um Rat.
    »Kopf hoch, alter Junge«, sagte French. »Das ist in unserem Geschäft eben so. Sie machen ein Vermögen mit Sammelklagen und das ist der Nachteil dabei. Dafür braucht man ein dickes Fell.«
    Das dickste Fell der Kanzlei hatte Oscar Mulrooney, der Clay immer wieder aufs Neue mit seinem Organisationstalent und seinem Ehrgeiz überraschte. Mulrooney schuftete fünfzehn Stunden am Tag und trieb die Yale-Filiale an, das Geld aus dem Vergleich für Dyloft so schnell wie möglich zu kassieren. Bereitwillig übernahm er jede noch so unangenehme Aufgabe. Da Jonah kein Geheimnis aus seiner geplanten Weltumsegelung machte, Paulette leise andeutete, für ein Jahr nach Afrika gehen zu wollen, um dort Kunst zu studieren, und auch Rodney immer öfter von Kündigung sprach, war klar, dass es bald einige freie Stellen an der Spitze der Kanzlei geben würde.
    Genauso klar war, dass Oscar auf eine Partnerschaft oder zumindest auf eine Gewinnbeteiligung spekulierte. Er arbeitete sich gerade in das gigantische Verfahren zu den Skinny Bens ein und war fest davon überzeugt, dass es mindestens zehntausend Fälle gab, die sich der Sammelklage noch nicht angeschlossen hatten, obwohl seit vier Jahren ununterbrochen Werbung bei den durch die Diätpillen Geschädigten gemacht wurde.
    In der Yale-Filiale arbeiteten inzwischen elf Anwälte, von denen sieben tatsächlich in Yale studiert hatten. In der Fabrik in Manassas waren zwölf Anwaltsassistenten beschäftigt, die bis über beide Ohren in Akten und Papierkram versanken. Clay hatte keinerlei Bedenken, ein paar Wochen wegzufahren und beide Büros unter der Leitung Mulrooneys zu lassen. Er war sicher, dass die Kanzlei in einigen Wochen, wenn er wiederkam, besser in Schuss sein würde als bei seiner Abreise.
     
    Weihnachten war für Clay eine Jahreszeit geworden, die er zu ignorieren versuchte, obwohl das nicht immer ganz einfach war. Er hatte keine Familie, mit der er die Feiertage verbringen konnte. Rebecca hatte sich immer viel Mühe gegeben, ihn zu allem einzuladen, was die van Horns an Weihnachten unternahmen. Obwohl er ihr dafür dankbar gewesen war, hatte er festgestellt, dass es ihm besser gefiel, in einer leeren Wohnung zu sitzen, billigen Wein zu trinken und sich alte Filme im Fernsehen anzusehen, als mit diesen Leuten unter dem Weihnachtsbaum zu sitzen. Kein Geschenk, das er ihnen gemacht hatte, war je gut genug gewesen.
    Ridleys Familie war in Georgien und würde vermutlich auch dort bleiben. Zuerst war sie ganz sicher, dass sie ihre Fototermine nicht verschieben konnte und daher keine Zeit hatte, um ein paar Wochen mit ihm wegzufahren. Als er sah, mit welcher Entschlossenheit sie daran arbeitete, es doch möglich zu machen, wurde ihm warm ums Herz. Sie wollte nichts lieber als mit ihm zusammen auf eine tropische Insel fliegen und dort am Strand liegen. Schließlich sagte sie einem Kunden, dass er sie ruhig feuern könne, es sei ihr egal.
    Es war ihr erster Flug in einem Privatjet. Clay stellte fest, dass er es genoss, sie zu beeindrucken. Nonstop von Washington nach St. Lucia, vier Stunden und eine Million Meilen. Die Stadt war kalt und grau, als sie abflogen, aber als sie den Jet auf dem Flughafen der Insel verließen, schlug ihnen die Hitze wie eine Wand entgegen. Sie gingen durch den Zoll, wo man sie kaum eines Blickes würdigte - zumindest war keiner der Blicke auf Clay gerichtet. Alle Männer verrenkten sich den Hals, um Ridley bewundern zu können. Seltsamerweise gewöhnte Clay sich allmählich daran. Ridley schien es gar nicht zu bemerken. Für sie war es etwas derart Alltägliches, dass sie alle ignorierte, was es für die Männer, von denen sie angestarrt wurde, noch

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