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Die Schuld

Titel: Die Schuld Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Grisham
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und die Füße so voreinander setzte, dass der Schlitz in ihrem Rock den Blick auf ihren Bauchnabel freigab. Und wo auch immer ihre Eltern in diesem Moment gerade waren, sie würden sich mit Sicherheit nicht in sein Leben einmischen. Damals hatte er sich wie ein Landstreicher gefühlt, der in diesen heiligen Hallen nichts verloren hatte. Jetzt hätte der Potomac Country Club seinen Aufnahmeantrag innerhalb von vierundzwanzig Stunden genehmigt, wenn er den richtigen Betrag auf einen Scheck geschrieben hätte.
    » Zum Empfang der van-Horn-Hochzeit«, sagte er zu dem Sicherheitsbeamten am Eingang.
    Sie kamen eine Stunde zu spät, was genau der richtige Zeitpunkt war. Im Ballsaal drängten sich die Gäste, und an einem Ende spielte eine Rhythm-and-Blues-Band.
    »Bleib bei mir«, flüsterte Ridley, als sie den Saal betraten. »Ich kenne hier doch niemanden.«
    »Keine Angst«, sagte Clay. In Ridleys Nähe zu bleiben würde kein Problem sein. Er kannte auch niemanden von den Gästen, obwohl er es ihr gegenüber nicht zugab.
    Die ersten Köpfe fuhren herum. Den Männern fiel die Kinnlade herunter. Da sie schon einige Drinks gekippt hatten, hatten sie keine Hemmungen mehr, Ridley unverhohlen anzustarren, während sie sich mit ihm durch das Gedränge im Saal schob.
    »Hallo, Clay!«, rief jemand. Als Clay sich umdrehte, sah er in das lächelnde Gesicht von Randy Spino, einem Kommilitonen von der juristischen Fakultät, der in einer Großkanzlei arbeitete und in dieser Umgebung normalerweise kein Wort mit ihm gewechselt hätte. Bei einer zufälligen Begegnung auf der Straße hätte Spino vielleicht gesagt: »Na, wie geht's?«, und wäre dann sofort weitergeeilt. Aber niemals in Gegenwart anderer in einem Country Club, und schon gar nicht, wenn es sich dabei zum größten Teil um Anwälte aus Großkanzleien handelte.
    Doch jetzt hielt er Clay die Hand hin und zeigte Ridley jeden einzelnen seiner Zähne. Um sie herum entstand ein kleiner Menschenauflauf. Spino übernahm das Kommando und stellte seinen guten Freunden seinen guten Freund Clay Carter und Ridley ohne Nachnamen vor. Der Druck ihrer Hand auf Clays Arm verstärkte sich. Die Männer rissen sich darum, sie zu begrüßen.
    Um in Ridleys Nähe zu kommen, mussten sie sich mit Clay unterhalten, und daher dauerte es nur ein paar Sekunden, bis jemand sagte: »He, Clay, Glückwunsch zu dem Vergleich mit Ackerman Labs.« Clay kannte den Mann, der ihm gratulierte, überhaupt nicht. Er ging davon aus, dass es ein Anwalt war, vermutlich von einer Großkanzlei, die Big Player wie Ackerman Labs vertrat. Noch bevor der Satz zu Ende war, wusste er, dass das heuchlerische Lob nur aus Neid gemacht worden war. Und dem Wunsch, Ridley anstarren zu können.
    »Danke«, erwiderte Clay, als würde er Vergleiche dieser Größenordnung jeden Tag einfädeln.
    »Einhundert Millionen. Wow!« Auch dieses Gesicht gehörte einem Fremden, der noch dazu betrunken schien.
    »Na ja, die Hälfte geht für die Steuern drauf«, sagte Clay. Und wer kam heutzutage schon mit läppischen fünfzig Millionen aus?
    Die Menge brach in lautes Gelächter aus, als hätte Clay gerade den Witz des Jahrhunderts erzählt. Immer mehr Menschen drängten sich um sie, alles Männer, und alle arbeiteten sich zentimeterweise an die attraktive Blondine heran, die ihnen irgendwie bekannt vorkam. Vielleicht erkannten sie sie nur deshalb nicht wieder, weil sie in Farbe und angezogen vor ihnen stand.
    Ein besonders aufdringlicher, arrogant wirkender Typ sagte: »Wir haben Philo. Mann, waren wir froh, als die Sache mit Dyloft endlich aus der Welt war.« Es war eine Manie, die fast alle Anwälte in Washington pflegten. Jedes Unternehmen der Welt hatte einen Anwalt in Washington - selbst wenn es nur dem Namen nach war -, und daher hatte jede Kontroverse oder Transaktion ernste Folgen für die Anwälte der Stadt. In Thailand explodiert eine Raffinerie, und ein Anwalt sagt: »Ja, wir haben Exxon.« Ein Kinofilm wird zum Flop: »Wir haben Disney.« Ein Geländewagen überschlägt sich, die fünf Insassen werden getötet: »Wir haben Ford.« Clay hatte es schon so oft gehört, dass es ihm zum Hals heraushing.
    Ich habe Ridley, wollte er sagen. Nehmt gefälligst die Finger weg.
    Auf der Bühne griff jemand zum Mikrofon und machte eine Ansage, woraufhin die Gespräche im Saal verstummten. Die Braut und der Bräutigam würden jetzt tanzen, gefolgt von der Braut und ihrem Vater, dann dem Bräutigam und seiner Mutter und so weiter. Die Menge

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