Die Schuld
Gegensatz zu Ihnen reiche ich eine Klage erst ein, wenn mein Fall gründlich recherchiert und vorbereitet ist und ich für einen Prozess bereit bin. Wenn man es so macht, kann einen die andere Seite nicht mehr einholen. Ich habe ein Buch über Prozessvorbereitung geschrieben, in das ich immer mal wieder einen Blick werfe. Das sollten Sie auch tun.«
Jetzt gleich?, wollte Clay fragen. »Was ist mit Ihrer Mandantin?«, sagte er stattdessen.
»Ich habe nur eine. Sammelklagen sind Betrug, zumindest dann, wenn man es so macht wie Sie und Ihre Freunde. Schadenersatzklagen im Namen einer Gruppe sind eine Gaunerei, ein Schwindel am Verbraucher, eine von Gier getriebene Lotterie, die uns eines Tages alle ruinieren wird. Und diese ungezügelte Gier wird das Pendel in die andere Richtung schwingen lassen. Es wird zu einschneidenden Reformen kommen. Anwälte Ihrer Couleur haben dann zwar nichts mehr zu tun, aber das wird Ihnen egal sein, weil Sie ein Vermögen verdient haben. Darunter leiden werden die, die in Zukunft eine Klage anstrengen wollen. All die kleinen Leute, die niemanden mehr wegen eines fehlerhaften Produkts verklagen können, weil Anwälte wie Sie das Gesetz missbraucht haben.«
»Ich habe nach Ihrer Mandantin gefragt.«
»Sechsundsechzig, weiß, weiblich, Nichtraucherin, hat Maxatil vier Jahre lang genommen. Ich habe sie vor einem Jahr kennen gelernt. Hier lassen wir uns Zeit, wir machen unsere Hausaufgaben, bevor wir zu schießen anfangen.«
Clay hatte eigentlich über große Dinge und große Pläne sprechen wollen, etwa darüber, wie viele potenzielle Maxatil-Kläger es geben mochte, was Mooneyham von Goffman erwartete, welche Gutachter er im Prozess einsetzen wollte. Aber jetzt suchte er nur noch nach einem schnellen Abgang. »Sie rechnen also nicht mit einem Vergleich?«, fragte er. Es gelang ihm, einigermaßen interessiert zu klingen.
»Ich lasse mich nicht auf Vergleiche ein. Und das wissen meine Mandanten von Anfang an. Ich habe drei Fälle pro Jahr, die ich mir alle sehr sorgfältig aussuche. Möglichst unterschiedlicher Natur, mit Produkten und Theorien, mit denen ich noch nicht vor Gericht gewesen bin. Gerichte, die ich noch nicht kenne. Ich habe freie Auswahl, weil jeden Tag irgendein Anwalt anruft. Und ich gehe immer vor Gericht. Wenn ich einen Fall übernehme, weiß ich, dass es keinen Vergleich geben wird. Eine Ablenkung weniger. Und meinen Mandanten sage ich gleich zu Anfang, dass ich meine Zeit nicht damit verschwende, über einen Vergleich nachzudenken.« Zum ersten Mal bewegte Mooneyham sich, nur eine leichte Gewichtsverlagerung von einer Seite auf die andere, als hätte er ein Problem mit dem Rücken. »Für Sie sind das natürlich gute Nachrichten. Ich starte den ersten Angriff auf Goffman, und wenn die Geschworenen die Dinge so sehen, wie ich sie sehe, sprechen sie meiner Mandantin eine ansehnliche Entschädigung zu. Sie und die anderen Trittbrettfahrer können dann auf den Zug aufspringen, noch mehr Werbung für neue Mandanten machen, die Kläger mit einem Taschengeld abspeisen und das Honorar kassieren. Ich sorge dafür, dass Sie sich schon wieder eine goldene Nase verdienen.«
»Ich würde gern vor Gericht gehen.«
»Wenn das, was ich gelesen habe, stimmt, wissen Sie nicht mal, wo das Gerichtsgebäude steht.«
»Dann suche ich es eben.«
Mooneyham zuckte mit den Achseln. »Die Mühe brauchen Sie sich vermutlich nicht zu machen. Wenn ich mit Goffman fertig bin, geht die Firma sämtlichen Geschworenen aus dem Weg.«
»Ich bin nicht verpflichtet, einen Vergleich abzuschließen.«
»Sie werden es trotzdem tun. Sie werden tausende Fälle haben. Aber Ihnen fehlt der Mumm, vor Gericht zu gehen.«
Und damit stand Mooneyham langsam auf, verabschiedete Clay mit einem schlaffen Händedruck und sagte: »Ich habe zu tun.«
Clay verließ das Büro und eilte durch den Korridor und das Museum im Eingangsbereich nach draußen in die mörderische Hitze der Wüste.
Spielerpech in Vegas und ein Desaster in Tucson, aber irgendwo über Oklahoma, in zwölftausend Metern, wurde die Reise doch noch gerettet. Ridley lag schlafend auf dem Sofa, hatte die Bettdecke über den Kopf gezogen und war durch nichts zu wecken, als das Faxgerät zu brummen begann. Clay ging in den hinteren Teil der abgedunkelten Kabine und holte eine Seite aus dem Gerät. Das Fax kam aus der Kanzlei, von Oscar Mulrooney. Er hatte einen Artikel aus dem Internet heruntergeladen - die jährlich veröffentlichte Rangliste der
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