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Die Schuld

Titel: Die Schuld Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Grisham
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Anzeigen und Skinny-Ben-Untersuchungen. Er hatte die bisher erschienenen Anzeigen unter die Lupe genommen und war zu dem Schluss gekommen, dass die kleineren Märkte bei der Jagd nach Mandanten völlig übergangen worden waren. Darüber hinaus hatten seine Recherchen ergeben, dass Frauen aus ländlichen Gebieten und den Appalachen schwerer waren als Frauen in Städten. Skinny-Ben- Land!
    In der Anzeige stand, dass die medizinische Untersuchung am nächsten Tag in einem Motel nördlich des Ortes stattfinden und von einem Doktor durchgeführt werde - einem richtigen Arzt. Untersuchen lassen könne sich jeder, der Benafoxadil alias Skinny Ben genommen habe. Alles streng vertraulich. Unter bestimmten Umständen werde man Geld vom Hersteller des Medikaments bekommen.
    Am unteren Rand der Seite waren in kleiner gedruckten Buchstaben Name, Adresse und Telefonnummer der Washingtoner Kanzlei J. Clay Carter II. angegeben. Allerdings hörten die meisten, die so weit gekommen waren, an dieser Stelle auf zu lesen oder waren zu aufgeregt wegen der Untersuchung.
    Nora Tackett lebte in einem Trailer, der eine Meile außerhalb von Larkin stand. Sie sah die Anzeige nicht, da sie keine Zeitungen las. Sie las überhaupt nichts. Sie saß sechzehn Stunden am Tag vor dem Fernseher, und die meiste Zeit über sie Nora lebte mit den beiden Stiefkindern zusammen, die ihr Exmann zurückgelassen hatte, als er zwei Jahre zuvor einfach verschwunden war. Es waren seine Kinder, nicht ihre, und sie wusste immer noch nicht genau, wie sie eigentlich zu den beiden gekommen war. Aber er war weg - kein Wort, kein Cent für die Kinder, keine Karte, kein Brief oder Telefonanruf, um sich zu erkundigen, wie es den beiden Gören ging, die er bei seinem Abgang bei ihr vergessen hatte. Und daher aß sie.
    Sie wurde Mandantin von J. Clay Carter II., weil ihre Schwester Mary-Beth die Larkin Gazette las und sie zur medizinischen Untersuchung abholte. Nora hatte die Skinny Bens ein Jahr lang genommen, bis ihr Arzt aufgehört hatte, ihr das Medikament zu verschreiben, weil es nicht mehr auf dem Markt war. Falls sie durch die Pillen abgenommen hatte, war davon nichts zu sehen.
    Ihre Schwester brachte sie in ihrem Kleinbus unter und hielt ihr die Seite mit der Anzeige vor die Nase. »Lies das«, befahl Mary-Beth. Vor zwanzig Jahren war auch Mary-Beth auf dem besten Weg zur Fettleibigkeit gewesen, aber ein Schlaganfall mit sechsundzwanzig Jahren hatte sie wachgerüttelt. Sie war es Leid, Nora etwas vorzubeten. Die beiden stritten sich seit Jahren. Und während sie durch Larkin fuhren und das Motel suchten, fingen sie schon wieder an.
    Das Village Inn war von Oscar Mulrooneys Sekretärin ausgewählt worden, weil es offenbar das neueste Motel in der Stadt war. Außerdem war es das Einzige, das im Internet verzeichnet war, was hoffentlich etwas zu bedeuten hatte. Mulrooney hatte dort übernachtet, und als er frühmorgens im schmutzigen Cafe des Motels frühstückte, fragte er sich wieder einmal, warum er so schnell so tief gesunken war.
    Drittbestes Examen seines Jahrgangs an der juristischen Fakultät von Yale! Heiß umworben von bekannten Kanzleien in der Wall Street und den großen Tieren in Washington. Sein Vater war ein bekannter Arzt aus Buffalo, sein Onkel am Obersten Gericht von Vermont, sein Bruder Partner in einer der renommiertesten Kanzleien Manhattans.
    Seiner Frau war es peinlich, dass er schon wieder irgendwo in der finstersten Provinz war und Mandanten jagte. Und ihm auch!
    Oscars Partner für die Untersuchung war ein bolivianischer Assistenzarzt, der zwar Englisch sprach, aber einen derart starken Akzent hatte, dass sogar sein »Guten Morgen« kaum zu verstehen war. Er war fünfundzwanzig und sah aus wie sechzehn, sogar in der grünen OP-Kleidung, die er auf Oscars Anweisung hin tragen musste. Sein Medizinstudium hatte er auf der Karibikinsel Grenada absolviert. Dr. Livan war über eine Stellenanzeige gefunden worden und bekam stolze zweitausend Dollar pro Tag.
    Oscar empfing die potenziellen Mandanten und nahm ihre Personalien auf, Livan erledigte anschließend hinten den Rest. Der einzige Konferenzraum des Motels hatte eine klapprige Faltwand, mit der die beiden erst eine Weile kämpfen mussten, bis sie sie auseinander ziehen und den Raum etwa zur Hälfte unterteilen konnten. Als Nora um viertel vor neun zur Tür hereinkam, sagte Oscar nach einem Blick auf seine Armbanduhr so freundlich wie nur möglich: »Guten Morgen, Ma'am.« Sie war fünfzehn Minuten

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