Die Schuld
Mittlerweile wurde sie kaum mehr gehandelt.
Die paar fehlgeleiteten Investoren, die sie noch besaßen, waren bereit, sie für fünfundsiebzig Cent pro Stück zu verschleudern.
Wer war hier der Verlierer?
Die angeblich so wichtigen Anhörungen von Rebeccas Unterausschuss wurden in der ganzen Zeitung mit keinem Wort erwähnt.
Nachdem er sich dieses Vergnügen gegönnt hatte, schlug Clay den Sportteil auf. Dabei sagte er sich, dass jetzt die Zeit gekommen war, die Familie van Horn zu vergessen. Die ganze Familie.
Um zwanzig nach sieben, genau zu der Zeit, da er sich gewöhnlich eine Schüssel Cornflakes einverleibte, klingelte das Telefon. Das ist sie, dachte er lächelnd. Sie hat es sich schon anders überlegt.
Zu dieser frühen Tageszeit würde außer ihr niemand anrufen, abgesehen vielleicht vom Freund oder Ehemann irgendeiner Frau, die gerade ge meinsam mit Jonah ihren Rausch ausschlief. Solche Anrufe hatte Clay im Laufe der Jahre gelegentlich erhalten. Jonah liebte die Frauen - besonders solche, die verheiratet waren oder einen Freund hatten. Seinen Worten zufolge waren sie eine größere Herausforderung.
Aber es war weder Rebecca noch ein Ehemann oder Freund. »Mr Clay Carter?«, fragte eine unbekannte Männerstimme. »Ja?«
»Mr Carter, mein Name ist Max Pace. Ich arbeite für Anwaltskanzleien aus New York und Washington und treffe eine Vorauswahl für potenzielle zukünftige Mitarbeiter. Ihr Name hat unser Interesse geweckt, und ich kann Ihnen zwei sehr gute Positionen anbieten, die Sie möglicherweise interessieren werden. Sind Sie heute Mittag zum Essen frei?«
Clay verschlug es die Sprache. Unter der Dusche sollte er sich später daran erinnern, dass er merkwürdigerweise zuerst nur an die Aussicht auf ein gutes Essen gedacht hatte.
»Äh, natürlich«, brachte er schließlich mühsam hervor. Genau wie für jeden anderen Beruf gab es auch für Anwälte Headhunter. Aber es kam selten vor, dass sie sich in jene Niederungen verirrten, in denen das OPD angesiedelt war.
»Gut, dann treffen wir uns in der Lobby des Willard. Ist Ihnen zwölf Uhr recht?«
»Passt mir gut«, antwortete Clay. Er richtete den Blick auf den Berg schmutziger Teller im Spülbecken. Kein Traum. Es passierte wirklich.
»Vielen Dank, dann sehen wir uns heute Mittag, Mr Carter. Ich verspreche Ihnen, dass Sie es nicht bereuen werden.«
»Äh, ja.«
Max Pace legte auf. Clay verharrte einen Augenblick lang reglos, den Hörer noch in der Hand. Weiterhin auf die ungespülten Teller starrend, fragte er sich, welcher seiner ehemaligen Kommilitonen von der juristischen Fakultät ihm da einen Streich spielte. Oder steckte der Bulldozer dahinter? Wollte er sich an ihm rächen?
Er hatte nicht einmal die Geistesgegenwart besessen, Max Pace nach seiner Telefonnummer oder dem Namen seiner Firma zu fragen.
Und er hatte keinen frisch gereinigten Anzug. Er besaß zwei graue Anzüge, einen für den Winter und einen für den Sommer, aber beide waren alt und reichlich abgetragen. Clay benutzte sie für den Gerichtssaal. Da es im OPD glücklicherweise keine verbindliche Kleiderordnung gab, erschien er dort in der Regel in legeren Baumwollhosen und einem marineblauen Blazer. Auch eine Krawatte trug er nur vor Gericht, und er nahm sie sofort ab, sobald er wieder in seinem Büro war.
Unter der Dusche sagte er sich, dass seine Garderobe eigentlich keine Rolle spielte. Da Max Pace wusste, wo er arbeitete, musste er auch eine ungefähre Vorstellung davon haben, wie wenig man beim OPD verdiente. Wenn er mit einer abgenutzten Baumwollhose auftauchte, konnte er auch mehr Geld verlangen.
Als er auf der Arlington Memorial Bridge im Verkehrsstau steckte, gelangte er zu dem Schluss, dass sein Vater hinter dieser Geschichte stecken musste. Der Alte mochte aus Washington verbannt worden sein, hatte aber immer noch Beziehungen. Endlich hatte er den richtigen Knopf gedrückt und jemanden gefunden, der ihm noch einen Gefallen schuldete. Er wollte seinem Sohn einen anständigen Job besorgen. Als Jarrett Carters illustre Anwaltskarriere nach einem langen und abwechslungsreichen letzten Akt zu Ende gegangen war, hatte er seinen Sohn dazu gedrängt, den Job beim OPD anzunehmen. Jetzt hatte Clay diese Lehrzeit überstanden - fünf lange, harte Jahre - und es war an der Zeit, dass er eine respektable Position erhielt.
Clay fragte sich, was für Kanzleien sich wohl für ihn interessieren mochten, und dieser Gedanke machte ihn neugierig. Sein Vater hasste die großen
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