Die Schuld
Brandlöscher. Zum Mittelsmann. Er war ein hoch bezahlter Spezialist, der unauffällig auf der Bildfläche erschien, den Schlamassel bereinigte und wieder verschwand, ohne Spuren zu hinterlassen. Während sie ihre Steaks aßen und die erste Flasche Bordeaux leerten, stellte er Clay schon den nächsten Auftrag in Aussicht. »Ein sehr viel größerer Fall als die Tarvan-Geschichte«, sagte er und sah sich dabei nach potenziellen Lauschern um.
»Wie bitte?«, fragte Clay nach einer langen Pause.
Noch einmal vergewisserte sich Pace, dass keine Spione anwesend waren. »Mein Auftraggeber hat einen Konkurrenten, der ein gefährliches Medikament auf den Markt gebracht hat«, sagte er dann. »Bisher weiß noch niemand etwas davon. Das Medikament der Konkurrenz verkauft sich sehr viel besser als seines, aber mein Auftraggeber verfügt mittlerweile über verlässliche Beweise, dass es die Bildung von Tumoren auslöst. Jetzt wartet er auf den richtigen Moment für einen Angriff.«
»Einen Angriff?«
»Ja, etwa in Gestalt einer Sammelklage, die von einem aggressiven jungen Anwalt eingereicht wird, der über die richtigen Beweise verfügt.«
»Sie bieten mir einen weiteren Fall an?«
»Ja. Akzeptieren Sie meinen Tarvan-Vorschlag, und wickeln Sie die Geschichte in dreißig Tagen ab. Anschließend überantworten wir Ihnen einen Fall, der viele Millionen wert ist.«
»Mehr Millionen als die Tarvan-Sache?«
»Sehr viel mehr.«
Bisher hatte Clay es geschafft, die Hälfte seines Filet Mignon hinunterzuwürgen, ohne es jedoch zu merken; die andere Hälfte würde unberührt liegen bleiben. Obwohl er halb verhungert war, hatte er keinen Appetit mehr. »Warum ich?«, fragte er mehr sich selbst als seinen neuen Freund.
»Das fragen sich Leute, die in der Lotterie gewonnen haben, auch. Sie haben das große Los gezogen, Clay, sozusagen in der Lotterie für Anwälte den Jackpot abgeräumt. Sie waren clever genug, haben bei der Tarvan-Story ansatzweise Lunte gerochen, und exakt zu diesem Zeitpunkt suchten wir verzweifelt einen jungen, vertrauenswürdigen Anwalt. Wir haben uns gefunden, Clay. Jetzt müssen Sie nur noch rasch eine Entscheidung treffen, die den weiteren Verlauf Ihres Lebens ändern wird. Wenn Sie zusagen, werden Sie ein sehr bedeutender Anwalt, sagen Sie Nein, ziehen Sie bei dieser Lotterie eine Niete.«
»Das habe ich schon kapiert. Aber ich brauche ein bisschen Zeit, um wieder klar denken und mir alles in Ruhe überlegen zu können.«
»Sie haben das ganze Wochenende.«
»Danke. Hören Sie, ich mache eine kleine Reise. Morgen früh fliege ich, am Sonntagabend bin ich wieder hier. Es wäre wirklich überflüssig, wenn mich Ihre Leute beschatten würden.«
»Darf ich fragen, wohin Sie fliegen?«
»Nach Abaco. Gehört zu den Bahamas.«
»Wollen Sie Ihren Vater besuchen?«
Clay war überrascht, aber eigentlich hätte er darauf gefasst sein müssen, dass Max sich kundig gemacht hatte. »Ja«, antwortete er.
»Aus welchem Grund?«
»Geht Sie nichts an. Ich will bloß angeln.«
»Tut mir Leid, aber wir sind sehr nervös. Ich hoffe, dass Sie das verstehen.«
»Eigentlich nicht. Ich nenne Ihnen die Nummern meiner Flüge, aber Sie halten mir Ihre Leute vom Hals. Abgemacht?«
»Sie haben mein Wort.«
10
G reat Abaco ist eine lange, schmale Insel am nördlichen Rand der Bahamas und liegt etwa hundert Meilen östlich der Küste von Florida. Vor vier Jahren war Clay, nachdem er genug Geld für den Flug zusammengekratzt hatte, schon einmal auf der Insel zu Besuch gewesen, um mit seinem Vater über ernste Dinge zu sprechen und sich ein paar Sorgen von der Seele zu reden. Doch es sollte anders kommen. Damals lag es noch nicht lange zurück, dass Jarrett Carter in Ungnade gefallen war, und so war er vollauf damit beschäftigt, seine Schmach ab Mittag in Rumpunsch zu ertränken.
Dieser Besuch würde hoffentlich anders verlaufen. Am späten Nachmittag verließ Clay das Turboprop-Flugzeug der Coconut Air, in dem es nicht nur äußerst warm, sondern auch sehr eng gewesen war. Nach einem flüchtigen Blick auf seinen Pass winkte ihn der Zollbeamte durch. Die Taxifahrt nach Marsh Harbor dauerte fünf Minuten. Der Fahrer fuhr auf der anderen Straßenseite, wie in England. Offensichtlich liebte er laute Gospel-Musik. Clay hatte weder Lust, mit ihm zu streiten, noch ihm ein Trinkgeld zu geben. Am Hafen stieg er aus und machte sich auf den Weg zu seinem Vater.
Jarrett Carter hatte einst einen Prozess gegen den Präsidenten der
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